Immobilienmarkt: Paradies für Haus-Spekulanten

Immobilienmarkt: Paradies für Haus-Spekulanten
Investoren haben Wohnimmobilien als überdurchschnittlich lukrative Geldanlage entdeckt. Die Folge sind steigende Preise für Häuser und höhere Mieten. Einem neuen Bericht der Bundesbank zufolge hat die Teuerungswelle ein rasantes Tempo angenommen.
14.03.2012
Von Hermannus Pfeiffer

Aus dem Spezialitätenladen "Landkost" in der Erikastraße in Hamburg tragen drei Männer eine Kühltheke auf die Straße hinaus. Sein Geschäft hat Manfred Hüttenhofer für immer geschlossen. Aus und vorbei ist es ebenfalls für die Traditionskneipe "Palette", und auch original englische Weingummi gibt es zukünftig im Stadtteil Eppendorf nicht mehr im "British Shopping" zu kaufen. Das Aus hat in allen Fällen den gleichen Grund: Die Eigentümer haben die Mieten zu Mondpreisen aufgeblasen, die nur noch Handelsketten und reiche Hobby-Boutiquenbesitzerinnen zahlen können. Das trifft zunächst die Geschäftsleute hart und dann die anderen alteingesessenen Mieter. Ein Trend zur Gentrifizierung, der schon länger beobachtet werden kann, den nun aber die weltweite Banken- und Finanzkrise noch beschleunigt.

Kein Hamburger Spezialfall

Die Preise für Immobilien zeigen seit Monaten bundesweit nur in eine Richtung - nach oben. Lag der Anstieg der Häuserpreise in Deutschland jahrelang unterhalb der Steigerungsraten für andere Geldanlageprodukte, so hat sich dieser Trend im vergangenen Jahr umgekehrt. Ein Bericht der Bundesbank meldet für 2011 einen Auftrieb bei den Preisen für Wohnimmobilien von 5,5 Prozent. Und das ist nur ein Durchschnittswert für das gesamte Bundesgebiet. Hauptsächlich in Ballungsräumen mit knappem Wohnungsangebot wie Hamburg und München legten die Preise noch rasanter zu. In den größeren Städten ab 500.000 Einwohnern stiegen die Preise für Reihenhäuser und Eigentumswohnungen um durchschnittlich 7 Prozent.

Zahlen, die auf den ersten Blick für den Laien unscheinbar erscheinen mögen, Fachleute aber aufschrecken: Immerhin liegt das Preiswachstum damit mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Und würde sich die Entwicklung annähernd fortsetzen, könnten die Immobilienpreise bis 2017 um mehr als ein Drittel zulegen. Was dann der Preissteigerungsrate in den USA entsprechen würde, bevor im Sommer 2007 dort die Immobilienblase platzte und sie die weltweite Banken-Finanz-Wirtschafts-Staatsschuldenkrise auslöste.

Investoren treiben Preise

Damit kommt erstmals seit Jahren heftige Bewegung in den deutschen Markt, der sich bislang im internationalen Vergleich noch durch mäßiges Wachstum ausgezeichnet hatte. Branchenkenner erklären den Preisauftrieb mit mehreren Faktoren. Da sind die neuen Häuslebauer, welche die supergünstigen Zinsen für ihr Eigenheim nutzen, und da sind Bundesbürger, die ihr Erspartes in Sicherheit vor der Inflation bringen wollen. Die Bundesbank führt dagegen die anziehenden Preise hauptsächlich "auf den kräftigen Konjunkturaufschwung" zurück.

Die Liebe zu den eigenen vier Wänden mag in Deutschland ungebrochen sein, doch zum jüngsten Preisanstieg von Wohnimmobilien dürften Häuslebauer kaum beigetragen haben. Als Preistreiber agieren nach Ansicht der Experten des Bonner Forschungsinstituts Empirica vor allem Investoren, die auf der Suche nach sicheren und doch lukrativen Geldanlagen sind. Und die strömen vor allem aus dem Ausland herein, hat der Berliner Immobilienexperte Rainer Zitelmann festgestellt. So werden in der Hauptstadt über die Hälfte aller Immobilien an ausländische Investoren, vor allem aus Italien, Russland und Frankreich verkauft.

Deutscher Immobilienmarkt lockt Haus-Spekulanten

Rund um den Globus ist mehr als genug Geld vorhanden, das nach sicheren Renditen Ausschau hält. Für klassische Sicherheitsanlagen wie Bundeswertpapieren oder Unternehmensanleihen von Konzernen liegt die Verzinsung heute oft unterhalb der Inflationsrate. Das macht die vermeintlich sichere Geldanlage in einem vermeintlich sicheren Land mit niedriger Inflation wie Deutschland hochattraktiv.

Dazu kommt, dass der deutsche Immobilienmarkt trotz des jüngsten Booms von spekulativen Übertreibungen wie in Spanien, Großbritannien oder China bislang weit entfernt war. Da sich die Wohnimmobilienpreise von Anfang der neunziger Jahre bis zum vergangenen Jahr im bundesweiten Durchschnitt kaum nach oben bewegten, zielten hierzulande Investoren und Fondsgesellschaften vor allem auf die Mietrendite, also den Gewinn, der von den monatlichen Zahlungen der Wohnungsmieter übrig bleibt. Die Mietrendite gilt aber in Deutschland mit etwa 5 Prozent als vergleichsweise gering. Nun kommt zu diesem Zins noch eine beträchtliche Steigerung des Hauspreises. Alles zusammen macht den deutschen Immobilienmarkt inzwischen zu einem verlockenden Paradies für Haus-Spekulanten aus aller Welt. Wenn die Politik weiterhin dieses Paradies allein "dem Markt" überlässt, werden dafür noch viele Feinkosthändler, Kneipiers und in den kommenden Jahren Millionen Mieter die Zeche zahlen.


Hermannus Pfeiffer arbeitet als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg.