Rentner im Job: "Ich dachte, mit 70 ist die Spielzeit um"

Rentner im Job: "Ich dachte, mit 70 ist die Spielzeit um"
"7 Wochen ohne falschen Ehrgeiz" – so lautet das Motto der diesjährigen evangelischen Fastenaktion. In der zweiten Woche ist das Thema: "Versorgt genug? Den Mangel nicht fürchten". Evangelisch.de hat mit drei Männern im Rentenalter gesprochen. Zwei von ihnen sind finanziell "versorgt genug" und arbeiten aus Freude am Job weiter - ohne falschen Ehrgeiz. Der dritte braucht einfach das Geld. Dass Arbeit im Alter nicht leichter wird, merken besonders die über 70jährigen.
24.02.2012
Von Anne Kampf

Michael Arns, Architekt: "Ich mache mir keine Sorgen"

"Architekten haben ja neben anderen grundsätzlichen Glücksmomenten die Möglichkeit, dass sie bis zum Umfallen arbeiten können." Michael Arns sitzt vergnügt an seinem Schreibtisch in Siegen. Gerade ist er 65 Jahre alt geworden, ab dem 1. April wird er Rente beziehen. (Foto links: Architektenkammer Nordrhein-Westfalen)

"Wegen des Geldes müsste ich nicht unbedingt weiter arbeiten", sagt  Arns. Doch um glücklich zu bleiben, muss er es wohl: "Ohne diese Arbeit kann ich mir mein Leben nicht vorstellen." Der Architekt hält seinen Job für einen der schönsten auf der Welt. "Wegen der Befriedigung, weil Sie etwas entstehen sehen, was Sie zu Papier gebracht haben." Dieses Glück lässt offenbar all die Mühen, die finanziellen Risiken, die brutalen Leistungsvergleiche unter Architekten vergessen. 

Arns ist Fachmann für Fachwerkhäuser in Südwestfalen, versucht die historische Bausubstanz zu erhalten und möchte darüber ein Buch schreiben. Außerdem engagiert er sich als Vizepräsident bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen – auch das mit großer Freude: "Ich habe da wahnsinnig viele interessante Themen und treffe lauter berühmte Leute aus aller Welt." Die Motivation sprudelt nur so aus ihm heraus.

Doch nicht immer lief es so glatt: Michael Arns hatte einen Schlaganfall, "daran war ich auch selbst schuld, ich hatte alle Risikofaktoren, die man sich vorstellen kann: Übergewicht, über zehn Havannas am Tag, ungesunde Ernährung, viel Abendessen, wenig Schlaf und kein Sport." Jetzt schläft er mehr und hat sich immerhin die Zigarren abgewöhnt. "Ich habe vor, uralt zu werden und noch mindestens zehn Jahre zu arbeiten."

Gabriel Nick, Arzt: "Ich kenne meine Grenzen"

Ein- bis zweimal die Woche fährt Dr. Gabriel Nick (Foto: privat) von Braunfels nach Frankfurt, um in einen Krankenhaus Palliativpatienten zu betreuen. Außerdem arbeitet er als Urlaubsvertreter in Praxen von Kollegen. Nick ist 73 Jahre alt und an Krebs erkrankt. Trotzdem muss er weiter Geld verdienen, obwohl er mehr als 35 Jahre als Landarzt gearbeitet hat.

"Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen kürzt die zugesicherte Rentenauszahlungen um bis zu 40 Prozent", erzählt er aufgebracht. Der Familienvater muss noch hohe Schulden abbezahlen. Zum Glück, meint Gabriel Nick sarkastisch, habe das Bundesverfassungsgericht ihm ja seine "geistige Fähigkeit zurückgegeben"- die Regelung, dass Ärzte nur bis 67 arbeiten dürfen, wurde wieder gekippt.

Nach fünfjähriger Pause als Ruheständler sieht sich der Arzt mit immer neuer Bürokratie und neuen Medikamentenvorschriften konfrontiert. "Ich kenne meine Grenzen", sagt Nick, "und wenn ich merke, dass die Grenzen bei der Bürokatie und den neuen Vorschriften erreicht werden, dann hole ich mir Hilfe." Ans Aufhören ist für Gabriel Nick momentan nicht zu denken: "So lange ich nicht meine mir zustehende Rente erhalte, muss ich weiter arbeiten ..."

Ulrich Parzany, Prediger: "Ich muss nicht arbeiten, um mich selbst zu bestätigen"

"Ich dachte, mit 70 ist die Spielzeit um. Aber wie wir vom Fußball wissen, kann die Nachspielzeit noch spannend werden." Ulrich Parzany (Foto: ProChrist) muss nicht mehr arbeiten, lebt mit seiner Frau von seiner Pension als rheinischer Pfarrer. Doch anstatt auszuruhen arbeitet er weiter – ehrenamtlich.

Landauf landab wird Parzany zu Vorträgen eingeladen, er ist Leiter und Hauptredner des missionarischen Projektes ProChrist. "Das Evangelium zu predigen habe ich nie als eine Aufgabe in bezahlter Berufstätigkeit verstanden, sondern das ist meine Berufung als Christ."

Im Vergleich zu den zwei Jahrzehnten, in denen Parzany Generalsekretär des CVJM Gesamtverbandes war und von früh morgens bis spät nachts rotierte, ist sein "Arbeiten" jetzt die reinste Erholung. "Ich nutze meine Zeit, um die Predigten und Vorträge gründlich vorzubereiten, ich studiere auch die Bibel sehr gründlich und erlebe das als eine eigene Erfrischung." Dennoch: ProChrist besteht aus bis zu 14 Abenden, jede Predigt erfordert enorme Konzentration – anstrengend ist das schon.

[listbox:title=Mehr im Netz[Die Fastenaktion "7 Wochen ohne..."##Bibeltext zum Thema "Versorgt genug", Matthäus 6, 25-33##Vortrag von Gerhard Wegner: "Wie kann Arbeit altersgerecht gestaltet werden?"##Publikation des Statistischen Bundesamtes: Ältere Menschen in der EU##Informationen der Deutschen Rentenversicherung zur Rente mit 67]]

Dass er diese Arbeit körperlich und geistig noch schafft, hält der Parzany für ein Geschenk: "Das hat man nicht in der eigenen Verfügung." Als Jugendpfarrer in Essen hat Parzany seine Fitness jedes Jahr durch einen Handstandüberschlag nachgewiesen – jetzt, mit 70, "muss man das Tempo des Tagesablaufs anders regeln", meint er. Morgens länger schlafen, in Ruhe frühstücken - "ich gestalte meine Tage meinen Kräften entsprechend".

In einem Punkt prüft Ulrich Parzany sich selbst sehr genau: "Ich muss nicht arbeiten, um mich selbst zu bestätigen. Eine Gesellschaft, die sich selbst trimmt nach der Devise: Ich bin etwas, nur weil ich etwas kann, die halte ich überhaupt nicht für verträglich mit dem Evangelium." Wie lange also wird Parzany noch arbeiten? "Das wird Gott wissen", sagt er, "wie lange er mich braucht." Der Prediger denkt bereits an den Schlusspfiff. "Ich habe viele Jahre meines Lebens gebetet: 'Herr, lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, damit ich klug werde.' Ich habe mein Leben gelebt und bin dankbar dafür und bereit, in Gottes Ewigkeit zu gehen."


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.