Drei gegen Gauck: Linke sucht Kandidat

Drei gegen Gauck: Linke sucht Kandidat
Die Linke kann sich nicht entscheiden: Wen sie gegen Joachim Gauck ins Rennen schickt, bleibt aber offen: eine Nazi-Jägerin, einen Politik-Professor oder eine Bundestagsabgeordnete? Die Parteiführung hat die Entscheidung auf Montag verschoben.
24.02.2012
Von Michael Fischer

Die Linke tut sich schwer mit der Suche nach einem Bundespräsidenten-Kandidaten: Die Parteiführung konnte sich am Donnerstag noch nicht zwischen der Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld, dem Kölner Politologen Christoph Butterwegge und der Bundestagsabgeordneten Luc Jochimsen entscheiden. Mit allen dreien würden nun weitere Gespräche geführt, sagte Parteichefin Gesine Lötzsch nach einer vierstündigen Sitzung. Die Entscheidung soll nun am Montag fallen.

Dabei handelt es sich mehr um einen symbolischen Akt: Denn eine Chance hat der Linken-Kandidat nicht, weil sich die anderen Bundestagsparteien bereits auf den Gründungschef der Stasiunterlagen-Behörde, Joachim Gauck, geeinigt haben.

"Eine Reihe von guten Kandidaten"

Die Linke war von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von der Suche nach dem Konsens-Kandidaten ausgeschlossen worden. Ein Verzicht auf eine eigene Kandidatur kommt inzwischen nicht mehr in Frage. Parteichef Klaus Ernst sprach von einer "komfortablen Situation" und einer Reihe von guten Kandidaten. Die Linke stellt etwa 10 Prozent der Wahlleute in der Bundesversammlung.

Die Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld (Archivfoto vom 01.11.2010) ist als Kandidatin der Linken für das Bundespräsidentenamt im Gespräch. "Spiegel Online" berichtete, die 73-Jährige habe bereits mit Parteichefin Lötzsch telefoniert und ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, am 18. März gegen Gauck anzutreten. Foto: Karlheinz Schindler

Klarsfeld war von Lötzsch bereits am Sonntag ins Gespräch gebracht worden. Die 73-Jährige hatte 1968 Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf einem CDU-Parteitag geohrfeigt und ihn wegen seiner NSDAP-Vergangenheit als Nazi beschimpft. Später bemühte sie sich mit ihrem Mann Serge Klarsfeld um die Auslieferung von Nazi-Verbrechern wie den ehemaligen Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie. In Interviews machte sie bereits vor der Spitzenrunde klar, dass sie als Kandidatin nicht die Parteilinie der Linken vertreten wolle. Auf "Zeit Online" räumte sie ein, dass sie bei einigen Vertretern der Linken auch Skepsis hervorrufe. "Meine Solidarität mit Israel wird in manchen Parteikreisen kritisch gesehen. Ich bekomme unfreundliche E-Mails." Dem "Tagesspiegel" sagte Klarsfeld, sie wolle nicht als "Anti-Gauck" antreten. Die Nominierung sehe sie aber als Würdigung ihrer Arbeit.

Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. Butterwegge, der als scharfer Hartz-IV-Kritiker gilt, könnte der Kandidat der Linken für das Bundespräsidentenamt werden und damit gegen Gauck antreten. Foto: Wolfgang Schmidt

Butterwegge wurde erst am Donnerstag öffentlich genannt. Für den 61-Jährigen Hartz-IV-Kritiker wurde ins Feld geführt, dass er die politischen Positionen der Linken besser vertreten könne. "Ich würde mich über die Kandidatur freuen, da sie die Möglichkeit bietet, auf die soziale Spaltung in Deutschland hinzuweisen", sagte der Armutsforscher dem "Kölner Stadt-Anzeiger" und ähnlich der "Mittelbayerischen Zeitung" (jeweils Freitag).

Butterwegge forscht seit vielen Jahren am Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften an der Universität Köln mit dem Schwerpunktthema Armut. Sein Fazit nach zehn Jahren Hartz-IV-Kommission: "Mit den rot-grünen Reformen wurde eine Rutsche in die Armut errichtet." Die Reichen würden immer reicher, die Armen zahlreicher.

Freiheit sei für ihn ein zentraler Begriff, sagte er in Anspielung auf den Kandidaten von SPD, Grünen, Union und FDP, Joachim Gauck. „Aber Freiheit bedarf der sozialen Sicherheit.“

Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Luc Jochimsen, auf Schloss Friedenstein in Gotha. Jochimsen hat ihre Partei zu einem Boykott der Bundespräsidentenwahl aufgerufen. Zur Begründung sagte sie auf "stern.de", die Linke sei systematisch von der Kandidatensuche ausgeschlossen worden. "Man hat uns parteiübergreifend klargemacht, dass man uns nicht will und auch nicht braucht", sagte sie. "Ich bin daher der Ansicht, wir sollten an der Bundesversammlung gar nicht teilnehmen." Foto: Martin Schutt

Jochimsen war bereits 2010 Präsidentschaftskandidatin der Linken. Sie hatte am Mittwoch den Vorschlag gemacht, die Bundesversammlung aus Protest gegen den Ausschluss von der Suche nach einem Konsens-Kandidaten zu boykottieren.

Unionsfraktionschef Volker Kauder sieht Kanzlerin Angela Merkel durch das Gerangel der Koalition um die Kür Gaucks nicht geschwächt. Merkel war ursprünglich gegen den Favoriten von SPD und Grünen. "Sie hat die Kandidatensuche zu einem vernünftigen Ende geführt, die uns manch schwierige Diskussion erspart. Auch das ist gut angesichts der Herausforderungen", sagte der CDU-Politiker dem Internetportal "Focus Online". Indirekt ermahnte Kauder die FDP, sich nun nicht damit zu brüsten, dass sie sich in dieser Frage gegen CDU-Chefin Merkel durchgesetzt habe: "Eine Koalition sollte sich auch immer durch Mannschaftsspiel auszeichnen."

Umfrage: Gaucks "wilde Ehe" für Bürger kein Problem

Die Bundesbürger haben nach einer Umfrage überwiegend kein Problem mit den privaten Verhältnissen des künftigen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Dass Gauck noch verheiratet ist, aber schon lange mit einer anderen Partnerin zusammen lebt, akzeptieren 78 Prozent der Befragten. Lediglich 19 Prozent sind gegen diese "wilde Ehe", wie die am Donnerstag veröffentlichte Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24 ergab. Zudem glauben 69 Prozent, dass Gauck die an ihn gestellten hohen Erwartungen erfüllen kann.

Der DDR-Bürgerrechtler und Pastor war in den vergangenen Tagen wegen seines Privatlebens vereinzelt kritisiert worden. Er ist seit Jahren mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Das Ehepaar Gauck lebt seit gut 20 Jahren getrennt. Das Paar hat vier Kinder.

dpa