Licht und Schatten im Ökumenejahr 2011

Licht und Schatten im Ökumenejahr 2011
Der Besuch von Papst Benedikt XVI. hat im Jahr 2011 die Ökumene in Deutschland geprägt. Dabei bekräftigten Katholiken und Protestanten ihre alten Positionen. Fazit der Experten: Zurzeit sind keine großen Fortschritte in Sicht.
13.12.2011
Von Stephan Cezanne

Für die einen war es ein Höhepunkt der Ökumene, für die anderen ein Zeichen für weitgehenden Stillstand im Dialog zwischen Katholiken und Protestanten: Der Besuch von Papst Benedikt XVI. im September in Deutschland erfuhr eine große Bandbreite an Deutungen. Als das Kirchenoberhaupt am 25. September vom Flughafen Lahr bei Freiburg in den Abendhimmel Richtung Rom abhob, ließ er zahlreiche ratlose katholische und protestantische Christen zurück.

Insgesamt war der Besuch tatsächlich ein positives Signal für die Ökumene - mehr allerdings nicht: Benedikt XVI. hatte nach eigenen Worten kein "ökumenisches Gastgeschenk" dabei, als er am 23. September die Spitze der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Erfurter Augustinerkloster traf - sozusagen in der Keimzelle der Reformation. Dass das Oberhaupt einer Weltkirche mit weltweit rund 1,2 Milliarden Christen der Leitung einer Nationalkirche mit rund 24 Millionen Mitgliedern auf Augenhöhe begegnete, kann jedoch als Erfolg für die Protestanten gebucht werden.

"Kein Programm des Dialoges"

Benedikt habe durch die Begegnung mit Vertretern der EKD ein bedeutendes Zeichen für die Ökumene gesetzt, resümierte Bundespräsident Christian Wulff. Die innerkatholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" allerdings reagierte enttäuscht: Das Papstprogramm mit 17 Ansprachen und Predigten "war eine respektable Leistung", doch "leider kein Programm des Dialoges".

Die Messlatte lag hoch: Ökumenische Streitfragen wie das gemeinsame Abendmahl, das unterschiedliche Amtsverständnis in den Kirchen oder der Umgang mit evangelisch-katholisch gemischten Ehepaaren sollten in Erfurt zur Sprache kommen. Doch darauf ging Benedikt erst gar nicht ein. Man dürfe keine Sensationen erwarten, hieß es aus Rom.

Manche Erwartungen von evangelischer Seite waren vor dem Papstbesuch schlichtweg unrealistisch gewesen, räumt der lutherische Ökumene-Experte, der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber, ein. So hofften einige darauf, Benedikt werde eine Öffnung der Eucharistie für konfessionsverschiedene Paare verkünden. Doch dafür sind die deutschen Bischöfe zuständig und nicht Rom, erinnert Weber: "Das muss die Deutsche Bischofskonferenz auf ihre Agenda setzen."

Luther rehabilitiert?

Schließlich erfüllte der Papst den Protestanten einen Wunsch, auf den sie schon lange warten: Er würdigte Martin Luther (1483-1546), freilich an einem Ort, an dem der spätere Reformator noch als katholischer Mönch lebte. Dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider zufolge hat Luther damit bereits eine faktische Rehabilitation durch die katholische Kirche erfahren.

Das Thema Luther scheint die nächsten Jahre das ökumenische Schwerpunktthema zu werden. Viele Hoffnungen richten sich darauf, dass katholische Christen beim Jubiläum 2017 - dem 500. Jahrestag der Reformation - mitfeiern. Im Jahr 2017 wird es allerdings keinen Dritten Ökumenischen Kirchentag geben, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und der Deutsche Evangelische Kirchentag einigten sich jüngst auf das Jahr 2019 - der genaue Ort steht nach Berlin (2003) und München (2010) noch nicht fest.

Was die Ökumene insgesamt angeht, rechnet der ehemalige Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Walter Kasper, in unmittelbarer Zukunft nicht mit wesentlichen Entwicklungen. "Es gibt keine großen Fortschritte mehr", sagte Kasper, der 2010 als "Ökumene-Minister" des Vatikans in den Ruhestand trat, jüngst in Berlin.

Weltkirchenrat in Turbulenzen

Auch international klemmt es in der Ökumene: Der Weltkirchenrat hat nach Ansicht der früheren hannoverschen Bischöfin und ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann an Bedeutung verloren. Gründe hierfür seien neben Finanzproblemen auch interne Auseinandersetzungen zwischen orthodoxen und evangelischen Kirchen, sagte die Theologin im Mai bei der Friedenstagung des Weltkirchenrates in Kingston (Jamaika). Rund 1.000 Kirchenvertreter waren auf der karibischen Insel versammelt, um sich über Konzepte für einen gerechten Frieden auszutauschen.

Tatsächlich eint das Thema Frieden die Religionen zurzeit am meisten. So machte sich Papst Benedikt mit dem Ausruf "Nie wieder Krieg!" beim interreligiösen Treffen von Assisi im Oktober das Motto der Friedensbewegung zu eigen. Zum Abschluss der Begegnung in Italien mit 300 Religionsvertretern aus 50 Ländern fügte er hinzu: "Nie wieder Gewalt! Nie wieder Terrorismus!". Der anglikanische Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, unterstrich, die aktuellen Herausforderungen seien so umfassend, dass keine Religion allein den Anspruch erheben könne, über die nötigen Mittel zu verfügen.

epd