Polizei macht Castor-Strecke mit Tränengas frei

Polizei macht Castor-Strecke mit Tränengas frei
Ein für Gorleben bestimmter Castor-Transport mit hochradioaktivem Müll ist trotz anhaltender Proteste von Atomkraftgegnern im französischen Valognes gestartet. Anders als früher rührt sich diesmal auch in Frankreich heftiger Widerstand. Demonstranten versuchten, die Abfahrt durch Gleisbeschädigung zu verhindern.

Atomkraftgegner haben wenige Stunden vor dem Start des Castor-Transports mit mit dem Ziel Gorleben kurzfristig Gleise besetzt und diese offenbar auch beschädigt. Trotz eines erheblichen Aufgebots an Sicherheitskräften versuchten sie nach eigenen Angaben an mehreren Stellen, Steine aus dem Gleiskörper zu entfernen und die Schienen zu verschieben. Eine offizielle Bestätigung gab es dafür zunächst nicht. Die Polizei reagierte mit dem Einsatz von Tränengas und nahm mindestens fünf Demonstranten fest. Der Protest wird organisiert von einem Zusammenschluss französischer Atomkraftgegner namens "Valognes Stop Castor", die auch vom Netzwerk Atomausstieg ("Sortir du nucléair") unterstützt wird.

Der Castor-Transport ist am Nachmittag am Bahnhof Valognes gestartet und hat 1200 Wegstrecke bis ins Wendland vor sich, wo er am Wochenend eintreffen soll. Die Route ist noch unklar. Drei Varianten für den Grenzübertritt sind möglich: über Kehl, Berg oder Saarbrücken. Welche Strecke der Zug nimmt, wird offiziell nicht mitgeteilt. Entlang der Strecke planen Anti-Atomkraft-Initiativen Proteste. Im Vorjahr war es den Atomkraftgegnern immer wieder gelungen, den Zug zu stoppen oder Nachschubwege für die Einsatzkräfte zu blockieren. Mit den Castor-Spezialbehältern wird deutscher Atommüll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague nach Gorleben gebracht.

Katz- und Maus-Spiel an der Strecke

Die Polizei schickte nach Medienberichten eine Hundertschaft Bereitschaftspolizei, um die Gleise zu räumen. Zugleich untersuchten Bauarbeiter nach TV-Berichten die Strecke. Augenzeugen berichteten von einem wahren Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Gegner Lücken in den Reihen der zahlreich aufmarschierten Sicherheitskräfte suchten. "Wir machen weiter, wir suchen die Lücken", äußerte sich die junge Französin Anna Laurent im TV-Nachrichtensender BFM kampfbereit.

Die Behörden haben auf beiden Seiten der Bahngleise eine Art Sperrzone eingerichtet. Mitarbeitern der Umweltorganisation Greenpeace, die den Transport begleiten und dabei mit Blick auf die Radioaktivität der Behälter Thermographie-Aufnahmen machen wollen, wurden am Mittwoch eine Genehmigung von der Polizei verwehrt. "Wir werden daher die Aufnahmen an einem anderen Ort in Richtung der deutschen Grenze machen", erklärte Greenpeace-Experte Andree Böhling.

Mehrere hundert französische Atomkraftgegner hatten sich in den vergangenen Tagen in einem Protest-Camp nahe der nordfranzösischen Kleinstadt Valognes getroffen, um den Castor-Transport zu blockieren. Auch in Deutschland bereiten sich Atomkraftgegner vor. Schwerpunkt der Aktionen im Südwesten soll wie in den Vorjahren der Grenzübergang Berg sein, teilten die Initiativen am Mittwoch mit. Der Zug soll mit einer "Südblockade" aufgehalten oder zu einem Umweg gezwungen werden.

Vergangenes Jahr kostete der Transport 33,5 Millionen Euro

Das niedersächsische Wendland bereitet sich unterdessen auf ein neues Castor-Wochenende vor. Da die Verladestation für den Castor-Transport zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt liegt, gab es laut Böhling kein großes Polizeiaufgebot. Charlotte Mijeon vom "Netzwerk Atomausstieg" beklagte dennoch einen Versuch der Behörden, den Protest zu "kriminalisieren" und vor Ort ein Klima der Angst zu schaffen.

In Deutschland sollen rund 20.000 Beamte den Transport der Castoren mit dem deutschem Atommüll aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague schützen. Anti-Atomkraft-Initiativen planen entlang der Strecke zahlreiche Proteste. Sorgen bereitet den Behörden die Kampagne "Castor schottern". Wie im vergangenen Jahr hat die Gruppe dazu aufgerufen, massenhaft Steine aus dem Gleisbett der Strecke zu entfernen.

Atomkraftgegner und Polizei rechnen aber nicht damit, dass in diesem Jahr mehr Castor-Gegner als im Vorjahr ins Wendland kommen. Die überregionale Mobilisierung sei geringer, hieß es bei der Polizei-Einsatzleitung in Lüneburg. 2010 war es den Atomkraftgegnern immer wieder gelungen, den Zug zu stoppen oder Nachschubwege für die Einsatzkräfte zu blockieren. Mit 33,5 Millionen Euro hatte der Castoreinsatz auch Rekordkosten verursacht.

Röttgen: "Kein Recht auf Gewalt"

Nach Ansicht der Grünen wurde Gorleben nie in einem wissenschaftlichen Auswahlverfahren zum möglichen Endlager bestimmt. Zu diesem Schluss kommt die Partei in einem Zwischenbericht zum Bundestags-Untersuchungsausschuss, aus dem die "Berliner Zeitung" (Mittwoch) zitiert. Damit verbiete sich jeder weitere Transport nach Gorleben, sagte die Grünen-Obfrau im Ausschuss, Sylvia Kotting-Uhl, dem Blatt. "Gorleben wurde politisch willkürlich und unter großem Druck ausgewählt", betonte sie.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) rief zu einem friedlichen und besonnenen Verhalten auf. "Es gibt ein Recht auf Demonstrationsfreiheit, es gibt aber kein Recht auf Gewalt", sagte er am Mittwoch in Berlin. Er forderte die Gorleben-Kritiker auf, sich konstruktiv an der Diskussion über den Neustart bei der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll zu beteiligen. "Wer jahrelang einen grundlegenden Neuanfang bei der Suche nach einem Endlager fordert, der sollte die einmalige Chance, die es jetzt gibt, nutzen, den Kampf der vergangenen Jahrzehnte zu begraben und das Thema im Konsens zu lösen", sagte der CDU-Politiker.

Nach einer Konzentration auf Gorleben in den vergangenen 35 Jahren sollen künftig auch andere Optionen geprüft werden. Die Gegner halten den Salzstock an der früheren DDR-Grenze im niedersächsischen Wendland für zu unsicher, um hier den Müll für immer in rund 800 Metern Tiefe zu lagern. Daher gibt es seit Jahren Proteste gegen Castor-Transporte in das nahe des Salzstocks gelegene oberirdische Zwischenlager, wo der Müll bis zur Endlagerung abkühlen soll.

 

dpa