Italien ohne Berlusconi - Chancen für eine neue Zukunft

Italien ohne Berlusconi - Chancen für eine neue Zukunft
Berlusconi will gehen. Jetzt kommt es auf Staatspräsident Napolitano an. Er muss den Weg zur Bildung einer neuen Regierung finden, damit die Märkte dem Land mit dem riesigen Schuldenberg wieder vertrauen. Das Sparpaket soll im Eiltempo verabschiedet werden.
10.11.2011
Von Hanns-Jochen Kaffsack

Silvio Berlusconi hat aufgegeben. Dem Ministerpräsidenten bleiben jetzt nur noch wenige Tage im Amt. Der 75-Jährige will zwar erst zurücktreten, wenn die Brüssel versprochenen Spar- und Sanierungsreformen durchgesetzt sind. Das soll jetzt aber ganz schnell gehen, in der Hoffnung, dass sich die nervösen Finanzmärkte wieder beruhigen.

Eigentlich sollten die Parlamentarier in Rom mehr Zeit bekommen, um die verschärften Spar- und Stabilitätsmaßnahmen in Gesetzesform zu gießen. Unter dem Druck der Finanzmärkte wird das Verfahren nun deutlich beschleunigt. Bis Samstagnachmittag sollen Senat und Abgeordnetenhaus alles verabschiedet haben.

Staatspräsident Napolitano ist der Mann der Stunde

Danach will Berlusconi abdanken - daran bestehe kein Zweifel, versichert Staatspräsident Giorgio Napolitano am Mittwoch. Auf ihn richten sich jetzt alle Augen und Hoffnungen. Er muss versuchen, einen Weg für einen erfolgversprechenden Neubeginn für das taumelnde Land zu finden: Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone muss rasch und in überzeugender Manier Handlungsfähigkeit beweisen.

Napolitano, der ehemalige Kommunist aus Neapel, wird nicht nur von italienischen Politikern geschätzt. Er ist auch seit langem der vertrauenswürdige Ansprechpartner für all jene, die mit Berlusconi wenig zu tun haben wollten.

Der 86-jährige Staatspräsident könnte nach den Reformbeschlüssen das Parlament auflösen mit anschließenden Neuwahlen. Er könnte aber auch einen ihm geeignet erscheinenden Kandidaten mit der Regierungsbildung beauftragen, der sich dann die dafür notwendigen Mehrheiten im Parlament organisieren müsste. Das will Napolitano zuerst versuchen. Neuwahlen - so sagt er - soll es nur geben, wenn es mit der Bildung einer Übergangsregierung nicht klappt. Der Staatspräsident weiß, was das Land mit der riesigen Schuldenlast, dem dürftigen Wachstum und dem Glaubwürdigkeitsproblem braucht: Es müssen möglichst viele in eine Lösung eingebunden werden.

Berlusconi befürwortet Neuwahlen und wünscht sich Angelino Alfano, den Chef seiner Partei PdL (Volk der Freiheit), als Nachfolger. Auch der Juniorpartner Umberto Bossi von der Lega Nord setzt auf eine vorgezogene Wahl - Bossi hatte Berlusconi am Vortag zum Rücktritt aufgefordert und damit dessen Ende beschleunigt.

Und die linke Opposition? Sie wittert nach Berlusconis Sturz auf Raten nun zwar ihre Chance, doch fehlt ihr noch ein charismatischer Anführer. Mit der PD (Demokratische Partei) gibt es inzwischen einen größeren Oppositionsblock, der sich den Mitte-Rechts-Parteien entgegenstellen kann. Aber es reiche nicht aus, gegen Berlusconi zu sein, man müsse auch ein überzeugendes Programm haben, tönte es zuletzt immer wieder aus der noch zu vielstimmigen Opposition.

Neues Vertrauen schaffen ist jetzt am wichtigsten

Staatspräsident Napolitano könnte, so wird in Rom vermutet, einen ausgewiesenen Wirtschaftsfachmann wie den parteilosen früheren EU-Binnenmarkt- und Wettbewerbskommissar Mario Monti vorschlagen, eine Regierung zu bilden - als Antwort Italiens auf die Krise. Nicht ausgeschlossen wird auch, dass der Staatspräsident sich für Berlusconis "rechte Hand", Gianni Letta, entscheidet und ihm den Auftrag gibt, seine Chancen für sich als Premier auszuloten. Entschieden ist noch nichts.

Die Probleme Italiens sind groß: Der Graben zwischen dem reichen Norden und dem ärmlichen Süden ist weiterhin riesig und die Jugendarbeitslosigkeit gerade im Süden hoch, es fehlt an Liberalisierung und Entbürokratisierung. Berlusconis Nachfolger übernimmt gewaltige Herausforderungen. Doch die wichtigste Aufgabe des nächsten italienischen Regierungschefs lautet: Neues Vertrauen schaffen - bei den Partnern und an den internationalen Finanzmärkten.

dpa