Merkel und Erdogan: Nette Worte, aber keiner zufrieden

Merkel und Erdogan: Nette Worte, aber keiner zufrieden
Bei ihrem festlichen Treffen in Berlin zum 50. Jubiläum des deutsch-türkischen ANwerbeabkommens tauschten Kanzlerin Merkel und Ministerpräsident Erdogan freundliche Worte aus. Doch die konnten die Meinungsverschiedenheiten kaum verbergen - etwa bei den Themen doppelte Staatsbürgerschaft, Sprachkenntnisse, Ehegattenzuzug und EU-Mitgleidschaft.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft für türkischstämmige Deutsche gefordert. "Wir leben in einer Welt, in der die doppelte Staatsbürgerschaft Normalität ist, auch innerhalb der EU", sagte Erdogan bei einem Festakt zum 50. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens am Mittwoch in Berlin. Es handle sich zwar nur um ein Stück Papier, aber auch um ein Symbol für den Frieden und das Zusammengehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine doppelte Staatsbürgerschaft weiterhin ab. Mit Integration habe diese aus ihrer Sicht "relativ wenig" zu tun, sagte sie. Sie glaube, dass es gute Argumente für die Entscheidung für einen Pass gebe, etwa dass man nicht in zwei Armeen verschiedener Nationen dienen könne. Zugleich räumte die Kanzlerin ein, dass es eine "gewaltige gesellschaftliche Diskussion" über diese Frage in Deutschland gebe. Zurzeit müssen sich in Deutschland geborene Kinder von Ausländern im Alter zwischen 18 und 23 Jahren zwischen dem deutschen Pass und dem ihrer Eltern entscheiden.

Merkel ignorierte das Thema EU-Mitgliedschaft...

Erdogan forderte auf der Veranstaltung im Auswärtigen Amt Deutschland außerdem auf, sich besonders für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei einzusetzen. Deutschland solle bei den Unterstützern an erster Stelle stehen, sagte er. Merkel ging in ihrer Rede auf die Frage der EU-Mitgliedschaft nicht ein. Erdogan und Merkel betonten die Zusammengehörigkeit beider Länder. "Wir gehören zusammen", sagte Erdogan: "Deutschland ist für die Türken keine fremde Heimat mehr."

Merkel würdigte die türkischen Einwanderer der ersten Generation. Es habe Mut und Entschlossenheit dazu gehört, die Heimat zu verlassen. Das Anwerbeabkommen habe den Anstoß für viele Veränderungen in Deutschland gegeben. Inzwischen fühlten sich die meisten türkischstämmigen Menschen in Deutschland zu Hause. "Das ist alles andere als selbstverständlich", sagte Merkel.

Die Kanzlerin wies auch auf Probleme bei der Integration hin. Sie sagte bei dem Festakt im Auswärtigen Amt in Berlin: "Die deutsche Sprache zu beherrschen und zu erlernen ist zwingend für gelungene Integration." Probleme bei der Integration dürften aber nicht verschwiegen werden. Das Bildungsniveau von Menschen mit Migrationshintergrund habe sich zwar verbessert. "Dennoch können wir mit diesen Fortschritten noch nicht zufrieden sein."

... aber erwähnte die Gleichberechtigung von Mann und Frau

Das Anwerbeabkommen war am 30. Oktober 1961 geschlossen worden, um dringend benötigte Arbeitskräfte nach Deutschland zu holen. Viele der damaligen Gastarbeiter ließen ihre Familien nachziehen. Heute leben in Deutschland mehr als 2,5 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln.

Gelungene Integration sei mitentscheidend für die Zukunft unseres Landes, sagte Merkel. "Deutschland ist reicher geworden, weil es vielfältiger geworden ist." Das Zusammenleben sei immer ein Geben und Nehmen, sagte die Kanzlerin, die auch die Bedeutung des Grundgesetzes für alle Bürger hervorhob. Dies gelte auch für die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Bekir Bozdag forderte eine Änderung der Regelungen zum Ehegattennachzug. Ehepartner aus Nicht-EU-Ländern mit Ausnahme "privilegierter" Staaten wie den USA und Japan müssen in Deutschland einen Sprachtest bestehen, bevor sie zum Partner nach Deutschland nachziehen dürfen.

Böhmer: Sprachtests sind eine große Hilfe

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hielt dagegen, bei den Sprachtests handle es sich um alles andere als eine Menschenrechtsverletzung. Vielmehr seien sie eine große Hilfe, weil die nachziehenden Ehepartner durch die Kurse sofort heimisch würden.

Das deutsch-türkische Anwerbeabkommen wurde am 30. Oktober 1961 geschlossen. Eine dauerhafte Einwanderung war nicht vorgesehen. In dem Abkommen wurden eine maximale Aufenthaltsdauer von zwei Jahren und ein Rotationsprinzip festgeschrieben. Rund 800.000 türkische Gastarbeiter kamen über dieses Abkommen nach Deutschland. Unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Rezession und der Ölkrise erließ die Bundesregierung 1973 schließlich einen Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte.

In den 70er Jahren wurde schließlich der Nachzug von Ehepartnern und Kindern aus der Türkei gestattet. Heute leben rund drei Millionen Menschen türkischer Abstammung in Deutschland. Mehr als ein Drittel von ihnen besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. 

epd/dpa