Reformationsfeier wird kein bloßes "Protestantenfest"

Reformationsfeier wird kein bloßes "Protestantenfest"
2017 jährt sich das historische Ereignis zum 500. Mal: Der junge Theologe Martin Luther (1483-1546) schlug der Legende nach an die Schlosskirche von Wittenberg 95 Thesen gegen kirchliche Missstände an. Dieser Tag gilt weltweit als Auftakt der Reformation. In Wittenberg bezeichnen sich heute jedoch 80 Prozent der Menschen als Nichtchristen, sagt der Tübinger evangelische Theologieprofessor Volker Leppin. "Man kann deshalb das Reformationsjubiläum nicht einfach als Protestantenfest feiern."
28.07.2011
Von Gerhard Schindler

In mehreren Arbeitskreisen, etwa dem Deutschen Ökumenischen Studienausschuss und dem Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen, arbeitet Leppin derzeit daran, "ein gemeinsames Verständnis der Reformation" zu formulieren. "Wenn die katholische Kirche nicht nur die Spaltung sieht und die evangelische Seite nicht allein die Wiederentdeckung von Gottes Wort herausstreicht, könnte dies vielleicht sogar eine Brücke zum gemeinsamen Feiern bauen", hofft der Theologe.

Kirche wichtig für kulturelle Identität

Eine neue Evangelisation erwartet Leppin vom Reformationsjubiläum 2017 zwar kaum, wie auch immer die Feierlichkeiten letztlich gestaltet würden. Es sei jedoch bereits viel gewonnen, wenn Menschen dadurch begriffen: "Für meine kulturelle Identität ist die Kirche ganz entscheidend." Als Experte für Mittelalter, Mystik und Reformation trat der 44 Jahre alte Kirchengeschichtler vergangenes Jahr an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen die Nachfolge von Ulrich Köpf an.

Zuvor hatte Volker Leppin in Jena gelehrt, wo er auch zum Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Mit einer kontrovers diskutierten Luther-Biografie sorgte Leppin 2006 für Aufsehen, weil er den Reformator nicht vom Ergebnis seines Schaffens, sondern von seinen Wurzeln her betrachtet und damit die Herangehensweisen früherer Luther-Biografen auf den Kopf stellt. "Luther ist ja eine evangelische Projektionsgestalt", formuliert Leppin und fordert gleichzeitig dazu auf, sich dem protestantischen Denkmal im lebendigen wissenschaftlichen Gespräch auch auf unkonventionelle Weise zu nähern.

Bilder von Marx und dem Papst

Die Bilder in Leppins Arbeitszimmer im Tübinger Theologikum zeugen davon, dass seine eigenen Perspektiven über den Horizont protestantischer Theologie hinausreichen: Neben Zeichnungen seiner vier Kinder und dem Bild eines vom Sockel gehobenen Miniatur-Luthers hängen Karl Marx und Papst Benedikt XVI. Entsprechende konfessions- und disziplinübergreifende Projekte will Volker Leppin auch in Tübingen verfolgen und engagiert sich unter anderem bereits im Graduiertenkolleg "Religiöses Wissen in der Vormoderne".

Für die nächste Zeit hat er sich zwei Editionsprojekte vorgenommen: Leppin will die Predigten von Johannes Tauler aus dem 14. Jahrhundert sowie Luthers Tischreden neu herausgeben. "Die heutigen digitalen Editionstechniken eröffnen ganz neue Möglichkeiten, Parallelen und Chronologien aufzuzeigen", sagt der Kirchenhistoriker und ergänzt: "Auch Luther hat auf geniale Weise die neuen Medien seiner Zeit genutzt."

epd