Helfer in Somalia: "Wir wollen einfach irgendwo anfangen"

Helfer in Somalia: "Wir wollen einfach irgendwo anfangen"
Hunger, Elend und Tränen - das Leben in Somalias Hauptstadt Mogadischu ist in diesen Tagen kaum auszuhalten. Ausgehungerte Flüchtlinge kommen an und brauchen dringend Hilfe. Die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen tun, was sie können - und geben sogar von ihrem eigenen Wenigen etwas ab.
22.07.2011
Von Bettina Rühl

Dass ein Mann in Somalia weint, kommt eigentlich nicht vor. Die Somalier sind stolz und einiges gewöhnt nach zwanzig Jahren Bürgerkrieg. Doch an diesem Morgen muss sich Abdi Hassan Hamud über die Augenwinkel wischen. Das Elend der Kinder in der Hauptstadt Mogadischu macht ihm zu schaffen. "Heute morgen wieder", erzählt er, "ein kleiner Junge, saß auf dem Boden und hat gehustet. Da hatte ich meine eigenen Kinder vor Augen." Weiter redet er nicht, um die Fassung nicht ganz zu verlieren.

Hassan, der bei der somalischen Hilfsorganisation DBG arbeitet, hat selbst neun Kinder, die jüngste Tochter ist erst vier Monate alt. Vor seiner Haustür spielen sich dramatische Szenen ab. Denn Seit Ende Juni fliehen Zehntausende Somalier vor der Dürre vom Land ins kriegszerstörte Mogadischu in der Hoffnung auf Essen und Wasser. Insgesamt hungern am Horn von Afrika mindestens zehn Millionen Menschen. Die UN erklärte den Notstand für die südsomalischen Regionen Lower Shabelle und Bay and Bakol. Zudem herrscht im Land immer noch ein blutiger Krieg.

[listbox:title=Hilfe für Somalia[Die Bundesregierung prüft nach Angaben von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel die Aufstockung ihrer Hilfen für die hungernden Menschen in Ostafrika.##Vor wenigen Tagen hatte die Regierung ihre Soforthilfe auf 14 Millionen Euro erhöht.##Die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, kritisierte die Zögerlichkeit der internationalen Gemeinschaft.##Nach Angaben der UN brauchen über zehn Millionen Menschen vor allem in Somalia, Äthiopien und Kenia Nahrungshilfe.##Das Welternährungsprogramm WFP plant den Aufbau einer Luftbrücke nach Mogadischu, um 2,2 Millionen Menschen im Süden Somalias zu versorgen. Dort ist die Not am schlimmsten.]]

Bisher zu gefährlich für Helfer

Die Flüchtlinge schleppen sich zu Fuß in die Stadt oder kommen mit dem Lkw, werden irgendwo abgeladen und stehen im Nichts. Denn die Hilfe läuft nur langsam an. Weite Teile des Landes sind in der Hand radikaler Islamisten. Weil sie humanitäre Helfer in der Vergangenheit gezielt verfolgt und getötet haben, arbeiten kaum internationale Organisationen in islamistisch kontrollierten Gebieten. Auch das umkämpfte Mogadischu ist so gefährlich, dass die UN und andere internationale Organisationen dort seit Jahren kaum vertreten sind.

Doch die Lage ist so verzweifelt, dass die Islamisten vor knapp zwei Wochen ihr Verbot für ausländische UN-Organisationen aufgehoben und um internationale Hilfe gebeten haben. Mehrere UN-Organisationen kündigten daraufhin an, ihre Hilfe aufzustocken. Doch bis die läuft, sind die Opfer auf die diejenigen angewiesen, die bereits vor Ort sind.

DBG-Mitarbeiter verzichten auf die Hälfte ihres Gehaltes

Neben Abdi Hassan Hamud stehen auf offenen Feuerstellen vier riesige Töpfe. Davor drängen sich Hunderte Menschen, in den Händen Plastikschalen, leere Trockenmilchdosen, Plastiktüten oder was sie sonst so fanden, um eine Portion Reis mit Ziegenfleisch entgegenzunehmen. Hassans Organisation DBG erhält regelmäßig Geld von der Diakonie Katastrophenhilfe und der Caritas, vom Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium.

Aber ausgerechnet als die Krise eskalierte stand kaum noch Geld zur Verfügung. Projektanträge an die staatlichen Geber waren gestellt, aber noch nicht beschieden. Nur von den beiden kirchlichen Organisationen hatte DBG noch etwas Geld. "Da haben wir beschlossen, dass alle Mitarbeiter im Juli auf die Hälfte ihres Gehaltes verzichten", erzählt Sharifa Omar Abukar, die bei DBG für Verwaltung und Kommunikation verantwortlich ist. Auf diese Weise seien umgerechnet rund 11.000 Euro zusammen gekommen.

[listbox:title=Spenden für Somalia[Diakonie Katastrophenhilfe: Konto 502 707, Postbank Stuttgart, BLZ 600 100 70. SMS mit NOT an 81190.##Caritas international: Konto 202, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BLZ 660 205 00. SMS mit CARITAS an 81190.##Ärzte ohne Grenzen: Konto 97 0 97, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.##UNICEF: Konto 300 000, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.##Aktion Deutschland Hilft: Konto 10 20 30, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00. SMS mit ADH an 81190.##Kindernothilfe: Konto 45 45 40, KD Bank, BLZ 350 601 90.##Oxfam: Konto: 13 13 13 Bank für Sozialwirtschaft Köln BLZ 370 205 00.##Christoffel-Blindenmission: Konto 2020, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00.##Bündnis Entwicklung Hilft: Konto 51 51, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 370 205 00]]

Geschäftsleute, Moscheen, Einzelpersonen - alle spenden

Außerdem durchforsten Sharifa und ihre Kollegen ihre Kleidungsreserven und spenden, was sie nicht unbedingt brauchen. Was sie entbehren können, verteilen sie an Dürreopfer, die vor ihrer Tür stehen, oder bringen es in eins der Krankenhäuser. Jeder in Mogadischu habe den Wunsch zu helfen, sagt Sharifa. Auch andere somalische Helfer berichten von der Großzügigkeit der Menschen in Mogadischu: Geschäftsleute, Moscheen, Einzelpersonen - alle sammeln, alle spenden.

DBG verteilt an diesem Morgen Essen in vier Flüchtlingslagern von Mogadischu an insgesamt 1.200 Familien. Ein Bruchteil dessen, das gebraucht wird. "Aber wir wollen einfach irgendwo anfangen", sagt Hassan. "Und wir hoffen, dass dann die großen Organisationen einsteigen." Denn die eigenen Reserven reichen nicht mehr lange.

Doch während die Essensausgabe läuft, erfahren Hassan und seine Kollegen, dass sie Unterstützung erhalten. Caritas, Diakonie und die deutsche Regierung haben Geld zugesagt. Und weitere deutsche Hilfswerke wie Misereor oder die Welthungerhilfe wollen Nothilfe leisten. Selbst eine Luftbrücke vom Welternährungsprogramm nach Mogadischu ist in Sicht.

epd