Bundestag: Gentests an Embryonen bleiben zugelassen

Bundestag: Gentests an Embryonen bleiben zugelassen
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) bleibt in Deutschland zugelassen. Der Bundestag beschloss am Donnerstag mit Mehrheit, die Gentests an Embryonen in bestimmten Fällen zu erlauben.

Auf den Gesetzentwurf pro PID der FDP-Abgeordneten Ulrike Flach und anderer entfielen 326 Stimmen. Der Entwurf für ein Verbot erhielt 260 Stimmen. Acht Abgeordnete enthielten sich. Ein Kompromissentwurf war mit 58 Stimmen in zweiter Lesung gescheitert.

Paare dürfen die Methode laut dem erfolgreichen Entwurf künftig nutzen, wenn auf Grund ihrer genetischen Veranlagung eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder für eine Tot- oder Fehlgeburt besteht. Bereits heute dürfen Ärzte die PID nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs durchführen. Weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte, war eine gesetzliche Neuregelung war nötig geworden.

Der Abstimmung im Bundestag war eine mehr als dreistündige sehr ernsthafte wie teils emotionale Parlamentsdebatte vorausgegangen. Für die Gewissensentscheidung der Abgeordneten wurde der Fraktionszwang aufgehoben.

Grundsatzdiskussion um den Beginn des Lebens

Die PID-Befürworterin Ulrike Flach (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, hatte in der Diskussion die Nöte von erblich belasteten Paaren in den Mittelpunkt gerückt. Männern und Frauen, die mit einem schwer kranken Kind, einer Tot- oder Fehlgeburt rechnen müssten, werde mit der PID die Entscheidung für ein Kind erleichtert.

Der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte, er lehne die PID ab, weil sie "die Selektion, eine Qualitätsüberprüfung des Lebens" bedeute. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) warnte vor einer Zulassung der PID, die "brutale Konsequenzen" haben könnte. Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginne der Prozess des Lebens. Dazu gebe es keinen "qualitativen Sprung" mehr.

Diese Einstellung sei eine religiöse und zu respektieren, könne aber nicht Grundlage eines Gesetzes sein, hielt der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach dagegen. Anderenfalls müsse man auch die Spirale oder die künstliche Befruchtung verbieten: "Ohne Einnistung ist der Embryo nicht lebensfähig." Wenn die PID es möglich mache, die Zahl der Spätabtreibungen zu reduzieren, sei dies zu unterstützen, ergänzte er.

Führt der Kinderwunsch bald zu Wunschkindern? 

Der SPD-Abgeordnete René Röspel warb für seinen Entwurf, den er als Kompromiss zwischen beiden Positionen sah. "Wir akzeptieren die Tatsache, dass in einem Embryo die Entscheidung bereits getroffen ist, dass er nicht leben kann", sagte Röspel. Wenn das Leben des Embryos aufgrund einer vorhersehbaren schweren Krankheit nicht mehr geschützt werden könne, sei eine PID zulässig, um der Frau eine Fehl- oder Totgeburt nicht zumuten zu müssen.

Ilja Seifert von der Linksfraktion fragte hingegen, wie bei einer Zulassung der PID künftig zu verhindern sei, dass "aus einem Kinderwunsch bald auch Wunschkinder mit speziell geplanten Eigenschaften werden". Die PID könne auch Illusionen wecken, dass es eines Tages doch so etwas wie ewige Gesundheit und Perfektion gibt.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Birgitt Bender, erklärte, "das Hilfeversprechen ist nur ein Wunschtraum von Technokraten". Künstliche Befruchtungen mit anschließendem Einsatz der PID führten in weniger als 20 Prozent aller Fälle zu einer Schwangerschaft. Die Erzeugung von Auswahl-Embryonen, von denen nur ein Teil eingepflanzt werde, führe zu neuen Begehrlichkeiten in der Embryonenforschung, warnte Bender.

Weitere Zitate aus der Debatte im Bundestag: 

"PID bedeutet Selektion." (Wolfgang Zöller, CSU)

"PID ist auch kein Eingriff in die Schöpfung - PID ist der Ausdruck der Ethik des Helfens." (Christine Aschenberg-Dugnus, FDP)

"Nicht eine Ethik der Strafe sondern eine Ethik des Helfens macht unsere Gesellschaft menschlicher." (Peter Hintze, CDU)

"Wer die Prozedur einer PID auf sich nimmt, tut das nicht, um ein Kind mit blauen Augen zu bekommen." (Carola Reimann, SPD)

"Es stimmt einfach nicht, dass die PID (...) nur in aussichtslosen und mit viel Leid verbundenen Fällen angewendet werden soll." (Harald Terpe, Grüne)

"Diese Eltern wünschen sich sehnlichst ein gesundes Kind." (Ulrike Flach, FDP)

"Ein totes Kind ist eine Lebenskatastrophe, die niemals heilt." (Katherina Reiche, CDU)

"Krankheit und Behinderung gehört zu unserer menschlichen Existenz." (Maria Michalk, CDU) 

"Wir wollen nicht, dass darüber entschieden wird, ob ein Leben gelebt werden darf. Aber wir akzeptieren die Tatsache, dass im Embryo die Entscheidung bereits getroffen ist, dass er nicht leben kann." (René Röspel, SPD)

dpa/epd