Missbrauch: "Es ist ein Schatten auf Nordelbien gefallen"

Missbrauch: "Es ist ein Schatten auf Nordelbien gefallen"
"Mängel in der Dienstaufsicht auf allen kirchlichen Ebenen" hat die Nordelbische Kirchenleitung im Blick auf die Missbrauchsfälle in Ahrensburg bei Hamburg festgestellt.

"Es ist ein bleibender Schatten auf Nordelbien gefallen", sagte Bischof Gerhard Ulrich am Mittwoch in Kiel. Den Opfern sei "schweres Unrecht" geschehen und ihr Leid berühre ihn zutiefst: "Diese Schuld bleibt und wird uns weiter begleiten." Die nordelbische Kirche in Schleswig-Holstein und Hamburg zählt rund zwei Millionen evangelische Christen.

Die Kirchenleitung sei aber nicht der Empfehlung eines externen Gutachters gefolgt, gegen die damals verantwortliche Ahrensburger Pröpstin Heide Emse ein Disziplinarverfahren einzuleiten, fügte Bischof Ulrich hinzu. Bischöfin Maria Jepsen, die Mitte Juli 2010 wegen der Ahrensburger Missbrauchsfälle und unter Hinweis auf ihre angezweifelte Glaubwürdigkeit zurückgetreten war, sei "voll rehabilitiert" worden, sagte Ulrich weiter. Darüber habe er sie in einem persönlichen Gespräch unterrichtet.

Im März 2010 war die Geschichte der Ahrensburger Missbrauchsfälle durch den Brief einer Betroffenen öffentlich geworden. Demnach hatte der damalige Gemeindepastor Gert Dietrich Kohl in den 70er- und 80er Jahren mehrere Jugendliche seiner Gemeinde sexuell missbraucht. Die näheren Umstände seiner Versetzung in den Jahren 1999/2000 seien jedoch "nicht mehr genau rekonstruierbar", sagte Ulrich. Die Aktenlage auch im Nordelbischen Kirchenamt sei "lückenhaft".

"Neue Präventionskonzepte"

"Die ergriffenen dienstaufsichtlichen Maßnahmen haben weder der Tragweite des Falles noch den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen", sagte Ulrich. Dennoch gebe es keine Hinweise, dass Pröpstin Emse die Taten des Pastors verschleiert habe. Vielmehr habe sie "energisch seine Versetzung betrieben". Strafrechtlich seien die Taten schon damals verjährt gewesen, und ein kirchliches Disziplinarverfahren sei aus juristischen Gründen "kein geeignetes Mittel für Sühne, Vergeltung oder Strafe".

Im Auftrag der Kirchenleitung hatte der Rechtsanwalt Christian Becker ein externes Gutachten erstellt. Dafür seien auch Gespräche mit ursprünglich Betroffenen geführt worden, sagte er. Insgesamt habe man 34 Zeugen, Opfer und handelnde Personen befragt, von weiteren 15 hätten schriftliche Stellungnahmen vorgelegen.

Ulrich kündigte an, dass die Kirche alles daran setzen werde, um Zusammenhänge, Bedingungen und Folgen sexualisierter Gewalt in der Gesellschaft insgesamt zu bearbeiten und Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Dafür würden neue Kommunikationsformen und Präventionskonzepte entwickelt. "Jeder Missbrauch berührt den Kern unseres Auftrages, die vor Gott unantastbare Würde jedes Menschen zu wahren und zu schützen", sagte der Bischof.

epd