Duell an der Haustür: Unterwegs als Staubsaugervertreter

Duell an der Haustür: Unterwegs als Staubsaugervertreter
In Deutschland gibt es freie Stellen für mehrere tausend Staubsaugervertreter. Warum niemand den Job machen will? Weil er genauso hart ist, wie man ihn sich vorstellt.
13.05.2011
Von Christoph Driessen

Es ist gerade mal ein Uhr mittags, und Anja Scherwat (22) ist schon an 30 Türen abgewiesen worden. Das schlägt der Staubsaugervertreterin aber keineswegs aufs Gemüt. Unverdrossen klingelt sie an der 31. Tür in einer stillen Wohnstraße in Solingen. Ein alter Mann öffnet und schaut sie misstrauisch an. "Bitte nicht erschrecken", zwitschert Scherwat. "Ich komme heute aus dem Hause Vorwerk zu Ihnen." - "Staubsauger?" Der Mann weicht instinktiv einen Schritt zurück. "Das macht alles meine Frau. Und die... ist nicht da." Im nächsten Moment tönt von hinten eine Frauenstimme: "Heinz, wer ist denn da an der Tür?"

So etwas darf man nicht persönlich nehmen, sagt Anja Scherwat. "Auf jeden Fall war der Herr doch freundlich. Und haben Sie bemerkt: Noch niemand hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen."

Das könnte man auch anders sehen. Man muss Anja Scherwat wirklich nur mal einen Vormittag begleiten, dann weiß man, warum Staubsaugervertreter als einer der unbeliebtesten Berufe gilt. Tausende Stellen sind frei, allein bei der Firma Vorwerk aus Wuppertal.

Verdienst nach Erfolg

Angeblich lässt sich ganz schön was verdienen, bis zu 6000 Euro im Monat. Das gilt wohlgemerkt für den absoluten Spitzenverkäufer unter den 2500 Vorwerk-Vertretern in Deutschland. Aber schlecht ist die Verdienstspanne nicht, vor allem wenn man bedenkt, dass die Ausbildung gerade mal 13 Wochen dauert. Wie viel man verdient, richtet sich ganz nach der Zahl der verkauften Geräte. Ziel ist es, mindestens jeden Tag einen Sauger zu verkaufen. "Sauger" sagt man in der Branche. Nicht "Staubsauger". Das Standardset kostet bei Vorwerk gut 600 Euro.

In diesem Job muss man vor allem einkassieren können. Wieder und wieder. Anja Scherwat kann das. Sie lächelt nach dem 30. Fehlversuch noch immer genauso unbeschwert wie am Anfang. "Ich bin glücklich", sagt sie. Anja Scherwat verkauft Sauberkeit, und das strahlt sie auch aus. Ihre weiße Hose ist blütenrein, ihre weißen Zähne leuchten, und das ganz kleine Nasenpiercing kann den properen Gesamteindruck nicht im mindesten stören. Anja Scherwat lächelt einfach immer. Nach ihrer Verkaufsstrategie befragt, erwidert sie: "Strategie? Habe ich eigentlich nicht. Sobald man das Gerät gezeigt hat, ist der Kunde von sich aus begeistert." Silke Hoffmann, die Vorwerk-Pressesprecherin, sagt immerhin: "Die Strategie ist, dem Kunden zu zeigen, dass er ein Problem hat."

Anja Scherwat drückt auf die Klingel. "Hallo, bitte nicht erschrecken, ich komme aus dem Hause Vorwerk. Kennen Sie uns?" - "Und ob!", antwortet die Frau in der Tür, und verschränkt ihre mächtigen Arme vor der Brust. "Ich hatte schon vier Vorwerk-Staubsauger." Anja Scherwats Lächeln wird noch breiter, ihre Augen klimpern erwartungsvoll: "Und?" - "Alle kaputt. Jetzt wisch' ich die Böden mit dem Lappen."

Manchmal nur kurze Dialoge

Nächste Tür. "Ich komme aus dem Hause..." - "Wir kaufen nichts." - "Wer spricht denn von kaufen? Ich will doch nichts verkaufen! Ich möchte Ihnen einen kostenlosen Leistungstest anbieten." - "Will ich nicht." Rumms, ist die Tür wieder zu. Anja Scherwat versucht es gegenüber. "Ich komme aus dem Hause Vorwerk. Kennen Sie unsere Staubsauger, Kobold und Tiger?" - "Ja, ich hatte mal einen. Den hab ich zurückgegeben. Das war'n ganz schlechtes Ding. Die anderen Marken sind auch nicht besser. Ich kaufe jetzt nur noch billige Staubsauger." Für Anja Scherwat ist das kein Argument gegen Vorwerk: "Diese Frau findet ja offenbar alles schlecht." Eine weitere Dame ist bereits im Besitz eines Vorwerk-Saugers; sie hat ihn stark reduziert auf dem Markt erstanden. Als die Tür wieder zu ist, sagt Anja Scherwat: "Das ist für mich, als würde man eine gebrauchte Zahnbürste kaufen."

Foto: dpa/Oliver Berg

Das Duell zwischen Vertreter und Kunde spielt sich an der Haustür ab. Wer den Vertreter erst einmal hereinlässt, hat fast schon kapituliert. Der kauft am Ende meist auch irgendwas. Zum Glück hat Anja Scherwat an diesem Tag noch einen festen Termin bei einem alten Vorwerk-Kunden, Edward Pohl (67). Ein gebürtiger New Yorker, jetzt aber schon sehr lange Solinger. Er besitzt bereits einen Vorwerk-Sauger, aber Scherwat will ihm ein paar Zusatzprodukte verkaufen. Zumindest einen besonderen Saugfuß für Böden.

Statt einer Staubsaugertüte legt sie das berühmte weiße Tuch ein, auf dem in wenigen Momenten schmerzlich sichtbar werden wird, wieviel Schmutz sich auf den vermeintlich sauberen Böden des Ehepaars Pohl noch verbirgt. "Das ist Fettschmutz", erläutert die Vertreterin. "Den bekommen Sie mit Wischen nicht weg." Falls Herrn Pohl das beunruhigt, lässt er es sich nicht anmerken.

Wettbewerbsvorteil Softdüse

Auch das Staubwischen kann man heutzutage mit dem Staubsauger erledigen. Anja Scherwat zückt einen Aufsatz mit weit auseinanderstehenden langen Bürstenhaaren und fährt damit über die Einlegearbeiten der deutschen Eichenschrankwand. "Die Softdüse. Wir nennen sie auch "die Blume der Hausfrau"."

Tschschschschsch. Jetzt werden die kleinen Fachwerkhäuschen abgesaugt, die Pohls jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt in Hattingen kaufen. "Sie fahren nach Hattingen auf den Weihnachtsmarkt?" Anja Scherwat gibt einen Entzückensschrei von sich. "Da fahren Sie ja fast bei mir vorbei! Sagen Sie doch das nächste Mal Bescheid - dann gehen wir zusammen auf den Weihnachtsmarkt!"

Jetzt demonstriert sie die Bohr-Staubdüse. Wenn man ein Loch in die Wand bohrt, kann man damit sofort den runterrieselnden Putz auffangen. "Und das hier sind die Milben-Killer! Die holen alles aus der Matratze raus: Milben, Milbenkot, Schimmelpilze und Hautschuppen. An der Gesundheit soll man nicht sparen. Wollen Sie auch mal die kleinste Waschmaschine der Welt sehen?" Ja, Herr Pohl will es, denn Herr Pohl ist Rentner und verfügt über ein ziemlich dickes Zeitpolster.

"Noch mal drüber schlafen"

Und dann, nach ungefähr einer Stunde, kommt der entscheidende Moment. "Herr Pohl: Wollen Sie ihn nehmen?" - "Ich sag' Ihnen Bescheid." - "Warten Sie nicht zu lange, denn das ist ein Aktionspreis. Wir haben jetzt Frühlingsputzwochen. Überzeugt hat er Sie ja. Eigentlich wär das für Sie der ideale Partner." - "Ich muss noch mal drüber schlafen." - "Sie haben doch schon eine Woche drüber nachgedacht! Der Sauger, den ich Ihnen im Juni verkauft habe, habe ich Sie da enttäuscht?" - "Nein, nein... Ich frage mich nur, ob ich zusätzlich jetzt auch noch diesen hier brauche." - "Natürlich brauchen Sie den! Ich kann Ihnen das nur empfehlen, da jetzt zuzugreifen. Machen Sie keine halben Sachen. Nehmen Sie alles."

Aber Herr Pohl bleibt standhaft, er will sich die Sache erst noch überlegen. "Wir bleiben in Kontakt", kündigt Anja Scherwat an. "Ich komm noch mal auf einen Kaffee vorbei. Und bring' ein Stück Kuchen mit." Einige Minuten später steht sie draußen vor der Tür und macht ein sehr zufriedenes Gesicht: "Ich bin mir sicher, dass der sich in den nächsten drei Tagen meldet. Jede Wette."

dpa