Kinder in der Kirche: Pro und Contra gemeinsame Gottesdienste

Kinder in der Kirche: Pro und Contra gemeinsame Gottesdienste
Das Frühjahr ist die Zeit der vielen Gottesdienste: Karfreitag, Ostern, Taufe und Konfirmation. Zum Teil sind es besonders festliche Gottesdienste, zu denen - anders als sonst - ganze Familien in die Kirche gehen. Also auch Kinder. Manche sitzen still in der Kirchenbank, andere spielen laut, reden dazwischen, laufen umher. Bei Kinderlärm im Gottesdienst haben Kirchgänger unterschiedliche Toleranzschwellen: Manchen macht es Spaß, dass der Gottesdienst durch die Kinder so lebhaft wird, andere fühlen sich gestört, würden sich gern sammeln und konzentrieren. Zwei Plädoyers von evangelisch.de für oder gegen Kinderlärm im Gottesdienst.
19.04.2011
Von Hanno Terbuyken und Anne Kampf

Pro: Kinder einbeziehen statt abkapseln

Es gibt kaum ein erbauenderes Geräusch als das Lachen eines Kindes. Warum sollten wir dieses Gottesgeschenk aus dem Gottesdienst verbannen? Der Gottesdienst ist schließlich teils Ritual, teils Feier – und da sollen Kinder doch auch mitfeiern dürfen. Klar, vor der dröhnenden Orgel haben Kinder manchmal Angst und bei der drögen Predigt schlafen sie ein. Aber an die Orgel müssen sich auch manche Erwachsene erst gewöhnen (und sie ist ein schönes Instrument) und eine dröge Predigt ist nicht nur für Kinder einschläfernd.

Natürlich ist es sinnvoll, Kinder in spezielle Kindergottesdienste zu schicken, wenn man sie gezielt mit Inhalten ansprechen will. Sicherlich passt nicht jede Form des Gottesdienstes auch auf jedes Kind. Aber es ist gleichzeitig sinnvoll, den Nachwuchs von Beginn an daran zu gewöhnen, dass der Gottesdienst etwas ganz normales sein kann und manchmal auch ganz schön.

Welche Kinder dürfen denn, fragt man sich? Nicht alle. Schreiende Säuglinge haben in der Kirche nichts zu suchen. Sie verstehen die Nachricht nicht, die ihnen entgegengetragen wird, und sie stören. Aber Kinder, die selbst laufen und sprechen können, soll man aus der Kirche nicht ausschließen. Vielmehr sollte man sie einladen! Vielleicht zwingt das die Prediger und Predigerinnen auf der Kanzel, ihren Stil ein bisschen anzupassen und eine Predigt zu halten, die auch ein Achtjähriger versteht. Nicht umsonst werden Kindernachrichten auch von Erwachsenen gern gelesen, denn sie erklären die Welt in einfachen Worten. Wie die Bild-Zeitung.

Das soll nun kein Aufruf sein, den Gottesdienst zu boulevardisieren. Aber Kinder gemahnen doch immer noch daran, dass die Christenheit nicht nur aus intellektuell theologisch interessierten aufmerksamen Zuhörern besteht und eine Predigt, die zwar theologisch durchdacht sein mag, aber nichts mit der Lebenswirklichkeit ihrer Zuhörer zu tun hat, nur selten fesselt. Vielleicht fliehen dann auch die Jugendlichen nicht in Scharen aus dem Schoß der Kirche.

Ich kannte mal einen Gemeindepastor, der dröhnend predigen und seine Klosterkirche ohne Mikrofon beschallen konnte. Der vermochte es, jeden in der Kirche anzusprechen, ob jung, ob alt, und die Gemeinde in Bann zu schlagen. Er konnte mit Jugendgruppen ebenso was anfangen wie mit Seniorenkreisen. Das ist die Form von Gemeinsamkeit, die einer Gemeinde gut ansteht. Denn die Botschaft Jesu ist für alle wichtig, für Kinder und Erwachsene am Sonntagmorgen gleichermaßen. Es fördert den Zusammenhalt im Glauben.

Daher die Forderung: Lagert nicht die Kinder aus – lagert das zweistündige doppelliturgische Hochamt evangelischer Prägung mit anschließender theologischer Diskussionsrunde aus! Denn Kinder (und Jugendliche) gehören zur Gemeinde. Sie selbstverständlich einzubinden statt abzukapseln bedeutet eine Investition in die Zukunft. Vielleicht greift dann der ein oder andere 13-jährige im Gottesdienst nicht nach seinem Handy, um sich für den Abend zu verabreden, sondern um das Top-Zitat aus der Predigt zu twittern. Wär doch mal was.

Hanno Terbuyken


Contra: Erwachsene brauchen die stille Stunde

"Weißt du, was ich hier am Gottesdienst gut finde?" fragt mich eine Bekannte an einem Sonntagmorgen in der Kirche. "Es ist eine Veranstaltung für Erwachsene!" Ich verstehe, was sie meint. Wir (beide berufstätig, alleinstehend, kinderlos) sitzen in der Kirche nebeneinander und hören der Orgelmusik, den Gebeten, der Predigt entspannt und aufmerksam zu. Wir beide brauchen diese Stunde am Sonntagmorgen, angefüllt mit guten Worten und dennoch auf eine besondere Weise still.

Kinder sind natürlich willkommen im Gottesdienst meiner Gemeinde, und sie dürfen auch am Abendmahl teilnehmen. Kinder auszuschließen, das wäre ein schlimmes Signal und nicht im Sinne des Religionsstifters: "Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich", sagt Jesus in Matthäus 19,14. Kinder gehören zur Gemeinde - keine Frage.

Manchmal sitzt vorn an der Seite eine Mutter mit drei Kindern. Das kleinste hat oft ein Bilderbuch dabei, die beiden größeren sitzen ruhig auf ihren Stühlen. Alle drei schaffen es, die Stunde mit nur wenig Zappelei zu überstehen. Ob ihnen der Gottesdienst Spaß macht, weiß ich nicht... Eine Kirchengemeinde sollte ihre Kinder kindgerecht aufnehmen, ihnen möglichst einen eigenen Gottesdienst anbieten, in dem sie Gemeinschaft haben, ihren Glauben feiern und Neues lernen - wie die Erwachsenen, nur anders. Mit Geschichten zum Zuhören, aber auch laut und lebhaft mit viel Bewegung und Musik.

Ab und zu gibt es bei uns Familiengottesdienste für Eltern und Großeltern mit Kindern. Diese Gottesdienste werden extra angekündigt, so dass alle Bescheid wissen. Meine Bekannte und ich gehen dann lieber in eine andere Kirche, denn ohne eigene Kinder fühlen wir uns hier fehl am Platz. In Taufgottesdiensten sind oft Kinder anwesend - und das ist auch gut so: schließlich wollen und sollen große Brüder und Schwestern, Cousins und Cousinen mitbekommen, was da mit dem Täufling und dem Wasser passiert.

Doch selbst im Taufgottesdienst weist unsere Pfarrerin vor der Predigt freundlich darauf hin, dass die Erwachsenen gern in Ruhe zuhören wollen. Falls Kinder da sind, die sich möglicherweise langweilen, könnten sie gern ins Spielzimmer gehen. Das entspricht dem Interesse der Zuhörer, die Predigt mitzubekommen, dem Interesse der Kinder, sich angemessen zu bechäftigen, und auch dem Interesse der Pfarrerin: Denn eine Predigt zu halten, erfordert Konzentration. Herumlaufende, weinende oder schreiende Kinder bringen sie ganz schön aus dem Konzept.

Ich finde das gut so: die Gemeinde lädt Kinder ein, lässt sie am Abendmahl teilnehmen, hat ein Spielzimmer eingerichtet und bietet Familiengottesdienste an. Aber ein gewöhnlicher Sonntagsgottesdienst ist eine "Veranstaltung für Erwachsene", eine Stunde ohne Rennen, Schreien, Weinen, Klappern, Zappeln. Was hier gesprochen wird, muss nicht kindgerecht sein, sondern erwachsenengerecht. Ob Eltern oder Kinderlose - wir Erwachsenen brauchen diese Stunde der Ruhe und Konzentration unter Gottes Wort am Sonntagmorgen.

Anne Kampf


Anne Kampf und Hanno Terbuyken sind Redakteure bei evangelisch.de und haben beide keine Kinder.