Zum Umgang mit der Ukraine: Timoschenko freilassen, EM boykottieren

dpa/Sergey Dolzhenko
Der Druck auf den ukrainischen Präsidenten Janukowitsch wächst gewaltig.
Zum Umgang mit der Ukraine: Timoschenko freilassen, EM boykottieren
Wegen der Inhaftierung von Julia Timoschenko hält der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Bernhard Felmberg, einen politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine für angemessen. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), hat den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aufgefordert, Ex-Regierungschefin Juli Timoschenko und ihre Mitstreiter aus der Haft zu entlassen.

"Janukowitsch sollte eine humanitäre Geste machen und die Gefangenen entlassen und begnadigen", sagte Löning am Montag im WDR. Er hoffe, dass dies noch vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft in Polen und der Ukraine am 8. Juni der Fall sein werde. Vor dem sportlichen Großereignis müsse "maximaler Druck" auf die Führung in Kiew aufgebaut werden, sagte Löning. Das Land habe die europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben und müsse die versprochene Rechtsstaatlichkeit nun auch einhalten, "die Situation mit den Gefangenen muss bereinigt werden".

Zur Frage, ob deutsche Politiker zu EM-Spielen der deutschen Mannschaft in die Ukraine reisen sollten, fügte Löning hinzu: "Es wäre ein wünschenswertes Ergebnis, dass wir hinfahren und unserer Mannschaft zujubeln können und nicht nebenan Leute im Gefängnis haben, die nicht medizinisch versorgt werden." Einen EM-Boykott hatte der Menschenrechtsbeauftragte zuvor abgelehnt. In der Ukraine sind 16 EM-Partien geplant, darunter das Endspiel am 1. Juli in Kiew.

Löning wies darauf hin, dass außer Timoschenko auch mehrere Minister ihrer früheren Regierung inhaftiert seien: "Gegen ein gutes Dutzend Leute aus ihrer Regierung sind Prozesse und Untersuchungen anhängig". Die Justiz werde dabei ganz offensichtlich zur Ausschaltung politischer Gegner missbraucht.

Das Land habe nach der Orangenen Revolution unter der Regierung Timoschenko deutliche Fortschritte in Richtung Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gemacht, sagte Löning. "Es gab eine lebendige Zivilgesellschaft, faire Wahlen, freie Meinungsäußerung und große Debatten in den Medien." All das werde nun unter Janukowitsch "Schrittchen für Schrittchen wieder zurückgedreht".

Eine Chance, die Menschenrechtsverletzungen zu benennen

Der Sportbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Prälat Bernhard Felmberg, hält einen möglichen politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine für vollkommen angemessen. "Es ist gut, den Verantwortlichen in der Ukraine deutlich zu machen, dass Deutschland es nicht toleriert, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden", sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag in Berlin.

Sechs Wochen vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft wächst die Kritik an der Ukraine. Grund ist insbesondere der Umgang mit der inhaftierten Ex-Premierministerin Julia Timoschenko. Medienberichten zufolge erwägt etwa Bundskanzlerin Angela Merkel (CDU), ihren Ministern zu empfehlen, den Spielen in dem Land fernzubleiben. Die Fußball-EM wird vom 8. Juni bis zum 1. Juli in der Ukraine und Polen ausgetragen. In der Ukraine sind 16 Partien geplant, darunter das Endspiel am 1. Juli in Kiew.

Felmberg warnte jedoch davor, den Austragungsort der Fußballspiele an sich infrage zu stellen. Mit der Europameisterschaft falle "der Focus der öffentlichen Wahrnehmung und der medialen Berichterstattung auch auf die im Land herrschenden Missstände", sagte der EKD-Sportbeauftragte. "Die EM in der Ukraine bietet die Chance, diese Menschenrechtsverletzungen klar zu benennen und von der ukrainischen Regierung mit Nachdruck Veränderungen einzufordern."

Felmberg verwies insbesondere auf die fehlende Rechtsicherheit in dem Land. Darüber hinaus kritisierte er die Haftbedingungen und Misshandlungen bis hin zu Folter in ukrainischen Gefängnissen. "Es ist zu befürchten, dass die Situation der inhaftierte Politikerin Julia Timoschenko unter normalen Umständen nicht so viel Aufmerksamkeit erfahren hätte", sagte der EKD-Bevollmächtigte bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.

Timoschenko war in einem umstrittenen Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Sie ist schwer erkrankt und verlangt ihre Behandlung im Ausland, weil sie den ukrainischen Ärzten nicht traut. Nach eigenen Angaben wurde sie in der Haft misshandelt und befindet sich in einem Hungerstreik.