Scientology-Gründer Hubbard und der Kult der Macht

Scientology-Gründer Hubbard und der Kult der Macht
Die Meinungen über Scientology gehen weit auseinander. Die Scientologen selbst sehen sich als Kirche, Gegner kritisieren die Ideologie der Gruppierung als menschenverachtend und verfassungsfeindlich. In Deutschland wird die Zahl der Anhänger auf rund 6.000 geschätzt. Scientology-Gründer L. Ron Hubbard wurde vor 100 Jahren geboren.
13.03.2011
Von Andreas Fincke

Weltweit gedenken Anhänger der umstrittenen Scientology-Organisation in diesen Tagen ihres Gründers Lafayette Ronald Hubbard. Geboren wurde Hubbard vor 100 Jahren am 13. März 1911 in Tilden in Nebraska, im mittleren Westen der USA. Umstritten ist bereits seine Biographie. Während die Anhänger seine frühe Bildung ("war er seinen Altersgenossen … voraus") und seine sportliche Begabung ("ritt er bald gemeinsam mit den besten Cowboys der Gegend Wildpferde zu") unterstreichen, verweisen Kritiker auf gescheiterte Studienversuche und eine mäßig erfolgreiche Laufbahn als Science-Fiction-Autor.

Unzweifelhaft ist, dass Hubbard sich für Okkultismus und bewusstseinsverändernde Techniken interessierte. 1945 trat er einem neo-satanistischen Orden bei. Mit knapp 40 Jahren schrieb er ein Buch, das bis heute zum Markenzeichen der Scientology-Organisation gehört: "Dianetik. Die moderne Wissenschaft von der geistige Gesundheit". Hubbard glaubte erkannt zu haben, dass sogenannte Engramme - unbewusste Erinnerungsinhalte - den Verstand des Menschen überschatten und verhindern, dass dessen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Der zentrale Werbespruch der Scientology lautet daher: "Wir nutzen nur zehn Prozent unseres geistigen Potenzials."

Religion aus steuerlichen Gründen

Seit 1953 versucht Hubbard, seine Organisation als Religion zu etablieren. Dieser Schritt dürfte damals steuerliche Gründe gehabt haben; denn in vielen Ländern genießen Kirchen und Religionsgemeinschaften steuerliche Vorteile. Einen interessanten Nebeneffekt hatte diese Entscheidung jedoch auch. Heute stellt sich Scientology gern als "verfolgte Religion" dar. In Deutschland wird häufig unterstellt, die Kritik staatlicher und kirchlicher Stellen an Scientology wäre vergleichbar mit der Verfolgung jüdischer Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus. Deshalb waren bei der Eröffnung der Hauptstadtrepräsentanz der Scientology - Organisation im Januar 2007 in Berlin zahlreiche Fahnen des Staates Israel zu sehen (Foto unten: Andreas Fincke). Die Fahnen sollten signalisieren: So wie einst die Juden in Deutschland verfolgt wurden, so werden heute Anhänger der Scientology verfolgt.

Nach der raschen Verwandlung der Dianetik in eine (vermeintliche) Kirche bezeichnete Hubbard seine Psychotechnik als Scientology ("Lehre von Wissen"). Scientology verheißt, den Menschen in die "totale Freiheit" zu tragen. Als Einstieg wird meist ein kostenloser Persönlichkeitstest mit 200 Fragen verwendet, der angeblich Stärken, vor allem aber Schwächen aufzeigt. Hier beginnt die gefährliche Spirale von immer teurer werdenden Psychokursen, die in einem verschachtelten System zu Freiheit und Macht führen sollen. Betroffene erzählen, dass sie mehrere tausend Euro, manchmal sogar sechsstellige Summen investiert haben.

Im Mittelpunkt dieser Psychokurse steht das sogenannte Auditing, das von Scientology als "seelsorgerliches Gespräch" apostrophiert wird. Aussteiger bezeichnen es als Gehirnwäsche. Ziel der Scientology-Kurse ist der sogenannte "operierende Thetan" (OT). Der OT "ist (…)völlig Ursache von Materie, Energie, Raum, Zeit und Denken". Dieser "Übermensch", man wird an Science Fiction erinnert, schafft angeblich das physikalische Universum aus Materie, Energie, Raum und Zeit allein durch sein Wollen. Unberührt von Leiden, Schwäche und Scheitern beherrscht ein OT - angeblich - sein Schicksal.

Totale Freiheit, totale Unterordnung

Scientology ist eine Ideologie und eine Organisation mit grenzenlosem Machtanspruch. Die Logik ist erschreckend simpel. So schreibt Hubbard: "Da Scientology die totale Freiheit bringt, hat sie auch das Recht, die totale Unterordnung zu fordern." Jeder, der sich Scientology in den Weg stellt oder kritische Anmerkungen macht, gilt als Feind und Verbrecher. "Wir fanden", so heißt es, "niemals Kritiker der Scientology ohne kriminelle Vergangenheit." Abtrünnige und Kritiker der Organisation werden auch als "antisoziale Persönlichkeit" oder als "suppressive persons" (unterdrückerische Personen) bezeichnet.

Anfang der 1980er Jahre verschwand Hubbard aus der Öffentlichkeit. 1986 wurde sein Tod offiziell bekanntgegeben. Um den Tod ranken sich Geheimnisse. Seit 1997 wird die "Scientology Kirche Deutschland" vom Bundesamt für Verfassungsschutz observiert. Man sieht Anhaltspunkte dafür, dass Scientology Bestrebungen verfolgt, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind.

Nicht allein was Scientology vertritt, sondern auch, wie sie ihre Ideologie durchsetzt, fordert zu Widerspruch heraus. Das Verführerische an der von L. Ron Hubbard inspirierten Organisation liegt darin, dass manche Trainingsmethoden zur Erzeugung von Unempfindlichkeit und Durchsetzungskraft durchaus wirksam sind und dass Scientology - wenn auch in wahnhaft übersteigerter Weise - mit seiner Power-Verheißung an durchaus akzeptierte "Werte" der Leistungsgesellschaft anknüpft.

Tom Cruise und John Travolta dabei

Immer wieder gelingt es Scientology, prominente Fürsprecher zu finden. So setzen sich Stars wie Tom Cruise, Katie Holmes, John Travolta und Chick Corea für die Psychosekte ein. Viele Jahre blieb auch der Hollywood-Regisseur und Oscar-Preisträger Paul Haggis Scientology treu. Ausgezeichnet wurde er für seine Filme "Million Dollar Baby" (2004) und "L.A. Crash" (2006), er hat Drehbücher für TV-Serien und für James-Bond-Filme geschrieben. Während seines großen Erfolgs soll er rund 400.000 Dollar für seine Kurse bei Scientology ausgegeben haben – bis er im Sommer 2009 die Organisation verließ. Heute beschreibt Haggis den Zynismus, die Gewalt und die Gehirnwäschemethoden der Organisation.

Hubbard hat eine Organisation begründet, deren Menschenbild mit dem Menschenbild des Christentums unvereinbar ist. Während der christliche Glaube von der Liebe und Zuwendung Gottes an den zweifelnden und gebrochenen Menschen spricht, hat Scientology einen Menschen vor Augen, der sich selbst zum Gott machen will. Hubbard hat keine Religion begründet und auch keine Kirche, sondern einen Kult der Macht.


Dr. Andreas Fincke arbeitet als Theologe und Publizist in Berlin. Der ordinierte Pfarrer war von 1992 bis 2007 wissenschaftlicher Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW).