Tourismus statt Terrorismus: Neue Wege in Nahost

Tourismus statt Terrorismus: Neue Wege in Nahost
Von wegen Feindschaft: Der israelische Landkreis Gilboa und die Stadt Dschenin im Westjordanland werben bei der Internationalen Tourismus-Börse in Berlin gemeinsam um Besucher. "Tourismus für den Frieden" ist ein Baustein für die Verständigung der einst unversöhnlichen Nachbarn.
11.03.2011
Von Igal Avidan

Es ist nur symbolisch, dass der gemeinsame Stand von Gilboa und Dschenin weit weg von der Halle steht, wo sich israelische und palästinensische Unternehmen präsentieren. Links schaut man auf ein großes Bild des Berges Gilboa und der Felder und Fischteiche des Jizrael-Tals. Zwischen den Zypressen und Eichen ragen die roten Dächer der Kibbutz-Häuser. Auf dem rechten Plakat sieht man die große Moschee in Dschenin: Die grünen Kuppeln auf dem Dach sind teilweise von einer Palme bedeckt. An einer Strommast ist ein großes Bild aus alten Zeiten befestigt: Es erinnert an einen Palästinenser, der im "Heiligen Krieg" gegen Israel gestorben war.

Die langjährige Kooperation zwischen Gilboa und Dschenin veranlasste die Bundesregierung, diesen Stand zu finanzieren. Das Tourismusprogramm ist nur eines von vielen Projekten, mit der die Gemeinden den Frieden fördern wollen. Landrat und Ex-General Dani Atar ließ während der zweien Intifada die erste privat finanzierte Grenzanlage bauen, um gewalttätigen Palästinensern aus Dschenin den Weg zu versperren. Er glaubt zugleich, dass langfristig nur gemeinsame Interessen die Sicherheit fördern können. Durch den Tourismus sollen neue Arbeitsplätze entstehen, die Verbindungen auf beiden Seiten intensiviert und beide Regierungen zu Friedensverhandlungen ermuntert werden. "Überall auf der Welt verbindet man Israelis und Palästinenser in erster Linie mit Krieg und Terror", sagt Atar. "User Ziel ist es, klar zu machen, dass hier eine neue Realität entsteht."

"Man fühlt sich richtig geborgen"

Der Gouverneur von Dschenin, Kadoura Mousa, steht am Stand und gießt palästinensisches Olivenöl in eine Schüssel, damit die Besucher ein Stück Brot hinein tupfen und es zusammen mit einheimischen Gewürzen kosten können. Er wirbt für seine 40.000-Einwohner-Stadt, früher eine Hochburg bewaffneter Banden, jetzt aber absolut friedlich, wie er betont. "In Dschenin spürt man das wirkliche Leben in Palästina, die Landschaft, die Vögel, die Küche. Außerdem bieten wir die maximale Sicherheit, und man fühlt sich bei uns richtig geborgen." Mousa wünscht sich, dass seine Kollegen in Gilboa die israelische Regierung unter Druck setzen, damit die Friedensgespräche fortgesetzt werden.

Nachdem US-Generäle die palästinensische Polizei in Dschenin ausgebildet und die Milizionäre ihre Waffen abgegeben hatten, konnte Landrat Atar den Verteidigungsminister überreden, den Grenzübergang zwischen Gilboa und Dschenin wieder zu öffnen, seit 2009 auch für den Verkehr. Dank der Beschleunigung der Kontrollen kommen auch die ersten Touristengruppen. In Gilboa wiederum können Besucher biblische Stätte und Museen besuchen oder - auch im Sommer - auf einer künstlichen Piste Ski fahren. In Dschenin können sie eine byzantinische Kirche besuchen, die große Moschee, den orientalischen Markt oder das "Freiheitstheater".

Hoffnung auf Hunderttausende

Die Botschaft der friedlichen Zusammenarbeit kommt auf der ITB gut an, berichtet Zohar Berg, Koordinator des Tourismusprojektes in Gilboa. "Wir erwarten bald die ersten Reisegruppen und in vier oder fünf Jahren rechnen wir mit 100.000 Touristen", sagt er. Am meisten liebt der Israeli die Menschen in Dschenin. "Sie sind warmherzig und gastfreundlich", berichtet er. "Ich gehe auf dem Markt spazieren und unterhalte mich mit den Menschen auf Hebräisch. Angst habe ich dort gar keine."

Der Vermittler zwischen Gilboa und Dschenin ist Atars Stellvertreter Ead Saleem, arabischer Israeli. Er ist Mitglied der rechtsnationalen Likud-Partei und zugleich ein Kritiker der jetzigen israelischen Politik: "Es ist schwer für uns, dieses Zusammenleben zu gestalten, wenn kein Friedensprozess stattfindet. Wir wollen keinesfalls die politischen Verhandlungen zu ersetzen, sondern versuchen, trotz der politischen Stagnation gemeinsam zu leben. Die Verhandlungen müssen daher wieder beginnen."

Der israelische Botschafter Yoram Ben-Zeev würdigte auf der ITB die neue Initiative als ein "Paradebeispiel für israelisch-palästinensische Zusammenarbeit" und äußerte den Wunsch, dass sie "eine neue Realität aufbauen kann, in der es uns allen gut geht".