Kündigung unerwünscht: WDR muss Redakteur weiter beschäftigen

Kündigung unerwünscht: WDR muss Redakteur weiter beschäftigen
Der WDR muss den Redakteur Klaus Martens weiter beschäftigen. Die im Mai 2010 erfolgte fristlose Kündigung war rechtswidrig. Martens hatte mit dem Film "Heilung unerwünscht" Aufsehen erregt. Ihm war PR für eine Salbe gegen Neurodermitis und sein eigenes Buch zu dem Thema vorgeworfen worden. Der WDR warf ihm zudem vor, falsche Angaben gegenüber dem Sender gemacht zu haben.
20.01.2011
Von Henrik Schmitz

Eine Schlappe für den Westdeutschen Rundfunk. Im Mai 2010 hatte sich der Sender von seinem Redakteur Klaus Martens getrennt. "Nach eingehender Prüfung" sehe es der WDR als erwiesen an, dass der Mitarbeiter als Autor des ARD-Features "Heilung unerwünscht: Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern" gegen Programmgrundsätze verstoßen und falsche Angaben gegenüber dem WDR gemacht habe, hieß es damals zur Begründung. Dem Arbeitsgericht Köln reichte dies offenbar nicht aus. Es entschied am Donnerstag, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Martens und dem WDR nicht rechtskonform beendet wurde und folglich weiter besteht. Der Sender muss zudem rund 40.000 Euro Gehalt plus Zinsen nachzahlen (Az. 6 Ca 4641/10). Die Urteilsbegründung steht noch aus, der WDR war am Abend nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen.

Großes Aufsehen

Martens Film, "Heilung unerwünscht", hatte vor uns nach der Ausstrahlung am 10. Oktober 2009 im Ersten für Aufsehen gesorgt. Große Pharmafirmen verhinderten den Vertrieb einer Salbe gegen Neurodermitis und Schuppenflechte, um mit eigenen Produkten weiterhin Geld zu verdienen, lautete – kurz gefasst – der Kernvorwurf des Films. "ARD deckt Medizinskandal auf", hießt es daraufhin etwa bei Focus Online, "eine ARD-Dokumentation über Profitgier und ihre Folgen", schrieb sueddeutsche.de und Spiegel Online sprach zunächst von "Pharma-Versagen". Sogar bei "Hart aber Fair" durfte Martens zum Thema "Menschen als Versuchskaninchen der Pharmaindustrie" auftreten.

Doch die Stimmung kippte schnell. An der angeblichen Wundersalbe wurden Zweifel geäußert. Und auch PR-Vorwürfe standen im Raum. Kurz nach der Sendung des Films brachte Martens ein Buch zu dem Thema inklusive Salbenrezpet heraus, das schnell die Bestsellerliste bei Amazon erklomm. Und schließlich fand sich auch ein Unternehmen, dass die Salbe doch vertreiben wollte – die Verabredung dazu soll schon vor Ausstrahlung des Films gefallen sein. Sein Film habe vor der Ausstrahlung wochenlang beim WDR gelegen. "Der Film war längst fertiggestellt und wartete auf einen Sendeplatz", verteidigte Martens den Umstand, dass der Film beste PR kurz vor dem Verkaufstart von Buch und Salbe war.

WDR sah "Vertrauensbruch"

Der Druck auf den WDR wurde offenbar so groß, dass der die Reißleine zog. Die interne Prüfung habe ergeben, "dass der Mitarbeiter seine unmittelbaren Vorgesetzten, die Fernsehdirektorin und die Intendantin und damit mittelbar auch die Gremien wiederholt über den Zusammenhang von Sendedatum und Buchveröffentlichung getäuscht und in einer dienstlichen Erklärung falsche Angaben gemacht hat", hieß es. Und Intendantin Piel erklärte: "Ich bin tief enttäuscht über den Vertrauensbruch. Für mich ist dadurch die Grundlage für eine Zusammenarbeit entfallen. Es muss klar sein, dass unsere journalistische Unabhängigkeit nicht verhandelbar ist und dass der WDR ein solches Fehlverhalten nicht duldet. Es hat sich aber auch gezeigt: Unsere Prüfmechanismen und die Gremienkontrolle funktionieren."

Die Arbeitsrichter in Köln sehen den Vertrauensbruch offenbar auch auf Seiten des WDR. Womöglich stellten auch sie sich die Frage, warum der Sender den Film zuerst abnahm und sendete und nach Bekanntwerden der Kritik gleich zur größtmöglichen Keule der fristlosen Kündigung griff.


Henrik Schmitz ist Medienredakteur bei evangelisch.de