Glaube im Land der Dichter und Denker

Glaube im Land der Dichter und Denker
Das Verhältnis von Literatur und Religion ist ebenso interessant wie vielschichtig. In einem Buch mit dem Titel "Was Dichter glauben" kommen 18 deutsche Schriftsteller zu Wort. Herausgeber ist der katholische Theologe Martin Lätzel.
10.01.2011
Von Thomas Morell

Für den Schriftsteller Wilhelm Genazino kann die Religion keine Bündnisgenossin der Literatur sein, weil sie an den "Verkündigungszwang" gekoppelt ist. Sein Kollege Günter Kunert sieht den Wert der Religion in der Suche, und Peter Härtling schätzt sie als "Aufbruch".

Lätzel, langjähriger Referent im Erzbistum Hamburg, will das Gespräch von Theologie und Literatur fördern. Sein Buch sei ein "Dokument der Suche", schreibt er. Sowohl Dichter als auch Theologen versuchten Worte für Dinge zu finden, die unsagbar sind. Religiöse Institutionen würden aber darunter leiden, so seine Beobachtung, dass sie durch ihre Symbole und eigene Ästhetik oftmals Menschen ausschließen, die auf der Suche nach dem Überirdischen sind.

Das Erlebnis von Schönheit

Die autobiografischen Romane von Ulla Hahn lassen ihre enge Bindung an die Religion erkennen. "Kirche, das war der Raum, wo ich zum ersten Mal Schönheit erlebt habe", sagt sie im Gespräch mit Lätzel. Mit der Bibel habe sie lesen gelernt und es werde vermutlich am Ende auch ihr letztes Buch sein. Dennoch will sie - wie andere auch - die Frage nach ihrem persönlichen christlichen Glauben nicht einfach mit "Ja" beantworten. "Wenn der Zweifel der Bruder des Glaubens ist, glaube ich auch." Für sie ist Gott "ein Wunder - und das muss er auch bleiben".

Für öffentliche Debatten über Literatur und Christentum ist Peter Härtling nicht zu haben. Dabei war er selbst sechs Jahre lang Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er hat eine tiefe Abscheu gegen eine "Traktatliteratur". Für ihn zeigt sich Religiosität in seinen Büchern im "Aufbruch". Gott ist für ihn der "Anfang einer Einsicht, eines Gedankens, eines Gefühls, eines Satzes."

"Ich komme bestens ohne Gott aus", erklärt Eva Menasse klar und deutlich. Religion sei etwas Pädagogisches, das den Menschen Anleitungen geben muss. Literatur dagegen erziehe zu Eigenverantwortlichkeit und eigenem Denken. Allerdings biete sich Literatur auch zur Flucht an, während gute Religion ein Fundament für das Leben sein könne.

"Es gibt kein Zurück zu Gott"

Der Mensch müsse sich selbst erretten, so Wilhelm Genazino - und es würde ihm oft gelingen. Niemand könne ihm dabei helfen. Der Wert der Religion sei, dass sie in Zeiten der Überforderung hinführe zu Besinnung, Innehalten, Trost und Reflexion.

Christen müssten wissen, dass sie nicht den einzigen Weg zu Gott gefunden haben, sagt Rafik Schami, dessen Romane oft im Orient der Christen, Muslime, Juden und Jesiden spielen. Ein Christ, der alle anderen Religionen für den falschen Weg hält, sei für seine Bücher nicht geeignet.

Für Günter Kunert hat die traditionelle Religiosität abgedankt. "Es gibt kein Zurück zu Gott. Nietzsche hat ihn umgebracht." Er wisse, dass er bei der Suche nach Gott nichts finden werde. Dennoch würde diese Suche und das Nachdenken über den Sinn des Daseins die Menschen aus dem Sumpf der alltäglichen Existenz herausheben. Auch die Literatur könne keine Antworten bei der Sinnsuche geben. Antworten könne nur jeder Einzelne für sich geben.

Martin Lätzel: Was Dichter glauben - Gespräche über Gott und Literatur, Friedrich Wittig Verlag, 144 Seiten, 14,95 Euro, ISBN 3-8048-4505-3

epd