Gorleben: Kirchengemeinde fühlt sich ignoriert

Gorleben: Kirchengemeinde fühlt sich ignoriert
Eine Klage der Kirchengemeinde Gartow hatte die Erkundung des Salzstocks vorübergehend gestoppt. Kurz nach der Ankunft der Castoren vor einer Woche ordnete das Land Niedersachsen "Sofortvollzug" an: Das heißt, dass weiter erkundet werden darf. Die Kläger beschweren sich, weil sie noch nicht einmal in die Akten schauen durften.

Die Kirchengemeinde Gartow besitzt ein elf Hektar großes Waldstock direkt neben dem Erkundungsbergwerk Gorleben. Durch die Arbeiten im Salzstock sieht die Gemeinde ihre Salzrechte berührt: "Unser Grundstück ist zwar nicht groß, aber tief", sagt Pfarrer Eckhard Kruse. Theoretisch könnte sie in Gorleben Salz abbauen. Zusammen mit vier weiteren Klägern hat die Kirchengemeinde zunächst einen Erkundungsstopp erwirkt, der aber in der vergangenen Woche per "Sofortvollzug" durch das Land Niedersachsen wieder aufgehoben wurde. Der Salzstock Gorleben wird also weiter auf seine Eignung für ein Endlager hin untersucht.

Kirchengemeinde fordert mehr Fairness

Das will die Kirchengemeinde Gartow nicht hinnehmen. Die Landesregierung ignoriere die Belange der Betroffenen, schreibt ihr Rechtsanwalt Nikolaus Piontek. Das Landesbergamt habe nicht auf die Argumente der Kläger geantwortet und ihnen die Entscheidung zum "Sofortvollzug" nicht vorab mitgeteilt. Das sei "juristisch schlechter Stil". Die Kläger verlangen Akteneinsicht und ein faires Verfahren, sie wollen weiter mit juristischen Mitteln gegen das Vorgehen der Landesregierung vorgehen.

Die Kirchengemeinde Gartow hat sich mit der Klage um ihr Grundstück in eine breite Protestbewegung gegen ein Atommüll-Endlager in Gorleben eingereiht. Massen-Demonstrationen wie im Wendland könnte es im Dezember auch an der Ostsee geben: Dort gibt es das Zwischenlager Nord nahe Lubmin, das Atommüll aus ehemaligen DDR-Kernkraftwerken beherbergt. Mitte Dezember soll hochradioaktiver Atomschrott aus Westdeutschland dazukommen.

Atommüll-Lager auch an der Ostsee geplant

Das für 240 Millionen Euro errichtete Zwischenlager ist hochsensibles Terrain. In den Hallen, zusammen größer und länger als zwei WM-taugliche Fußballfelder, liegt der verstrahlte Atomschrott aus den abgewrackten DDR-Kernkraftwerken. 5500 Brennelemente, das sind rund 600 000 Kernbrennstäbe, lagern hier. Dazu sechs Reaktorbehälter aus Lubmin und Rheinsberg und jede Menge schwach- und mittelradioaktiver Abfall. Dafür wurde der Betrieb 1999 genehmigt.

Voraussichtlich am 16. Dezember - bestätigen will den Termin niemand - soll nun neuer Atommüll dazukommen. Erstmals werden dann Kernbrennstoffe aus westdeutschen Forschungsanlagen in Karlsruhe - derzeit noch deponiert im französischen Cadarache - an die Ostsee gebracht und dort eingelagert. Genehmigt hat das der Bund, alleiniger Gesellschafter der EWN. Politiker des Landes Mecklenburg-Vorpommern sehen darin einen Tabubruch, stehen aber hilflos als Zaungast daneben.

Landesregierung kann nur zuschauen


Linke-Fraktionschef Helmut Holter fordert vom Land statt bedauernder Worte Taten: "Die Landesregierung muss sich konsequent den Verfassungsklagen gegen den Atom-Deal zur Laufzeiten-Verlängerung anschließen." Ansonsten sei ein Ende der Produktion des hochgiftigen Abfalls nicht abzusehen - und wo der lande, entscheide der Bund, sagt Holter. Umweltminister Till Backhaus (SPD) duckt sich weg und verweist auf die Zuständigkeit des Innenministeriums. Am Mittwoch befasst sich der Landtag in Schwerin in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema.

Atomkraftgegner erwarten den Transport für die Tage vom 21. bis 23. Dezember und kündigten schon "Aktionen in Lubmin, Greifswald und ganz Mecklenburg-Vorpommern" an. Für den 18. Dezember sei als Auftakt eine Großdemonstration in Greifswald geplant. Wie bei den jüngsten Massenprotesten im Wendland solle es auch Schienenblockaden geben. 

dpa/evangelisch.de/aka