Pfarrer am Reformationstag im Fitness-Studio

Pfarrer am Reformationstag im Fitness-Studio
Am 31. Oktober feiern Protestanten und Katholiken einen gemeinsamen Gottesdienst im Fitnessstudio „Go21“ in Herschbach bei Selters ab 19 Uhr. Ausgerechnet am Reformationstag, werden einige Protestanten sagen. Ausgerechnet einen Tag vor Allerheiligen, meint vielleicht der ein oder andere Katholik.
28.10.2010
Peter Bongard

Am 31. Oktober feiern Protestanten und Katholiken ab 19 Uhr einen gemeinsamen Gottesdienst im Herschbacher Fitnessstudio „Go21“. Ausgerechnet am Reformationstag, werden einige Protestanten sagen. Ausgerechnet einen Tag vor Allerheiligen, meint vielleicht der ein oder andere Katholik. Dabei gibt es für den evangelischen Pfarrer Werner Schleifenbaum und seinen katholischen Kollegen Michael Pauly kaum einen besseren Termin für diesen Brückenschlag. Sie glauben, dass die Kirche in unserer Gesellschaft nur dann ernst genommen wird, wenn sie geschlossen und überzeugt auftritt. Im Interview sprechen sie über die Chancen und Grenzen der Ökumene, bodenständige Heilige und fußballerische Inspriationen.

Pfarrer Schleifenbaum, Pfarrer Pauly – der Gottesdienst im Fitnessstudio „Go 21“ ist seit fünf Jahren ein Aushängeschild der Evangelischen Jugendkirche des Dekanates Selters. Wie kam es dazu, dass die Katholiken nun mit an Bord sind?

Werner Schleifenbaum: Zunächst ist Herschbach natürlich ein katholisch geprägter Ort, und in unserem Team arbeiten seit Jahren katholische Jugendliche mit. Von daher war es ein logischer Schluss. Darüber hinaus verstehen wir uns als Einheit, weil wir mit den katholischen Geschwistern die wesentlichen Glaubenspunkte teilen. Das gilt übrigens nicht nur für Herschbach, sondern mittlerweile auch für die gesamte Kirche.

Michael Pauly: Als Mitglieder der beiden großen Kirchen können wir unsere Gemeinsamkeiten oder unsere Unterschiede betonen. Wir haben uns für die Gemeinsamkeiten entschieden und folgen damit den Zeichen der Zeit.

Welche Zeichen der Zeit meinen Sie?

Schleifenbaum: Nun, es gibt in unserer Gesellschaft immer weniger Christen, und unser Glaube verliert an Bedeutung. Es liegt also nahe, uns gemeinsam als Anbieter des christlichen Glaubens zu positionieren. Täten wir das nicht, würden uns die Leute doch vorwerfen, dass wir selbst nicht wissen, was wir wollen.

Pauly: In einigen Jahren wird die Frage nicht sein, ob wir in Herschbach oder Selters, in der katholischen oder evangelischen Kirche an Christus glauben. Die Frage wird sein, ob wir an Christus glauben! Wir müssen diesen Glauben als das eine gemeinsame Dach betonen. Wenn Protestanten und Katholiken zusammen unter diesem Dach feiern, haben wir gewonnen.

Wo liegen für Sie die Grenzen dieser Annäherung?

Pauly: Man darf das, was sich unterscheidet, natürlich nicht mit Gewalt zusammenbringen. Es wird beispielsweise kein gemeinsames Abendmahl geben, weil es in diesem Punkt einfach zu unterschiedliche Auffassungen gibt. Ökumene bedeutet schließlich nicht Uniformität. Ganz im Gegenteil: Ich brauche ein starkes, eigenes Profil, um auf den anderen überzeugend zugehen zu können. Wenn ich mit jemandem diskutiere, verliere ich nicht meinen Standpunkt, sondern stärke ihn und erkenne gleichzeitig den Reichtum des anderen an. Es ist wie im Fußball: Je sicherer das Standbein ist, desto stärker ist das Spielbein. Wir feiern am 31. Oktober einen Gottesdienst zum Reformationstag und zu Allerheiligen, der Elemente beider Kirchen beinhaltet – so, dass es am Ende eine Bereicherung ist und ein Schritt hin zu der einen Kirche, die wir uns alle erträumen.

Trotzdem: Das Thema Ökumene wird mancherorts durchaus kritisch diskutiert…

Schleifenbaum: Es würde mich auch nicht wundern, wenn es nach dem Gottesdienst am 31. Oktober Kritik gibt. Viele werden sich fragen, warum wir ausgerechnet am Reformationstag diesen Brückenschlag zur katholischen Kirche wagen – an einem Fest, das wie kaum ein anderes die evangelische Identität betont.

Und was antworten Sie?

Schleifenbaum: Der Sinn des Festes ist meiner Meinung nach, dass sich die Kirche ständig reformiert. Und anno 2010 bedeutet Reformation für mich vor allen Dingen eines: Die Kirchen müssen sich angesichts der gesellschaftlichen Lage aufeinander zubewegen. Was aber damals wie heute gilt: Wir Christen haben den Auftrag, die Frohe Botschaft zu verkündigen – und nicht über Kleinigkeiten zu streiten.

Pauly: Ich glaube, dass die Menschen positiv auf den Gottesdienst reagieren. Unsere Kirche ist zukunftsorientiert, und die Herschbacher haben sich schon darauf eingestellt, dass mein Kollege Pfarrer Marcus Fischer und ich neue Dinge einführen.


Wobei die Unterschiede zwischen Allerheiligen und dem Reformationstag schon gravierend sind. Oder nicht?

Pauly: Für mich sind sie das nur auf den ersten Blick. Denn für die Protestanten ist Martin Luther ein Vorbild im Glauben. So ist es auch mit den Heiligen in der katholischen Kirche: Dieser Tag soll an unsere Glaubensvorbilder erinnern – an ganz normale Menschen, keine engelsgleichen Himmelswesen. Schließlich sind auch wir durch die Taufe geheiligt. Deshalb beten wir auch nicht zu den Heiligen, sondern mit ihnen.

Zum Schluss: Warum feiern sie ausgerechnet in einem Fitnessstudio?

Schleifenbaum: Jesus hat gesagt, dass wir in alle Welt gehen sollen. Also auch ins Fitnessstudio. Und das tun wir.

Die Fragen stellte Peter Bongard