Atomstreit führt zu Eklat im Bundestag

Atomstreit führt zu Eklat im Bundestag
Vor der Entscheidung über längere Atomlaufzeiten ist es im Bundestag zu einem Eklat gekommen. Die Union sprach von "skandalösen Vorgängen" im Umweltausschuss. Das Gremium musste vor der Entscheidung im Plenum des Parlaments am Donnerstag die Änderungen im Atomgesetz absegnen.

"Das erinnert mich an Vorgänge aus Zeiten der außerparlamentarischen Opposition (APO)", sagte Unions- Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) am Mittwoch in Berlin. Besonders die Grünen hätten mit diversen Geschäftsordnungsanträgen versucht, die Debatte über das Energiekonzept zu torpedieren. Statt über die Sache zu diskutieren, gehe es der Opposition nur um Klamauk.

SPD, Grüne und Linke wiesen die Vorwürfe zurück. Die schwarz-gelbe Koalition habe wichtige Fragen nicht beantwortet und wolle das Atomgesetz mit den durchschnittlich zwölf Jahre längeren Laufzeiten durch das Parlament peitschen. Zu der Abstimmung am Donnerstagmorgen haben Umweltgruppen Proteste vor dem Reichstagsgebäude angekündigt.

"Beschimpfung der Opposition"

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Die Beschimpfung der Opposition kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der Bundestag in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht in dem gebotenen Maß beteiligt wurde." Das Atomgesetz sei von Schwarz-Gelb im Schnellverfahren in den Ausschüssen abgenickt worden.

Der Grünen-Politiker Volker Beck sagte, in seiner langen Zeit als Abgeordneter des Bundestags habe er so etwas noch nicht erlebt. Die Grünen wollen daher die Verabschiedung am Donnerstag verhindern. "Selbstverständlich werden wir die Absetzung beantragen", sagte Beck. Die Koalition werde das mit ihrer Mehrheit ablehnen, betonte der CDU-Politiker Altmaier. Die Opposition habe versucht, eine Entscheidung im Umweltausschuss zu verhindern, damit im Bundestag nicht über die längeren Laufzeiten abgestimmt werden kann. «Das ist nicht nur außerparlamentarisch, sondern es ist auch undemokratisch.»

Einige Abweichler in Union

Altmaier rechnet mit etwa fünf Abweichlern aus dem Unionslager. Der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel (CSU) hatte eine regelmäßige Überprüfung gefordert, ob längere Laufzeiten bei der steigenden Ökostromproduktion weiter notwendig sind. Er fand aber keine Mehrheit dafür. Beck sagte, im Ausschuss habe die Koalition die Geschäftsordnung des Bundestags faktisch außer Kraft gesetzt. So seien Fragen der Opposition sowie Änderungs- und Geschäftsordnungsanträge nicht zugelassen worden. Der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch kritisierte, die Koalition habe nach dem Motto gehandelt: "Augen zu und durch ­ bloß keine Fakten auf den Tisch."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Naturschutzring kritisierten das geplante Laufzeitplus, dass Atomenergie bis mindestens 2035 bedeuten würde. Längere Laufzeiten von Atomkraftwerken würden große Risiken für die Allgemeinheit bergen. "Atomkraft ist keine Brücke, sondern eine Sackgasse", sagte vzbv-Vorstand Gerd Billen.

Warnung vor Sicherheitsrisiken

Der frühere Leiter der Abteilung für Reaktorsicherheit im Umweltministerium, Wolfgang Renneberg, warnte vor Risiken, wenn die Atomkraftwerke angesichts der schwankenden Ökostromeinspeisung künftig stärker herauf- und heruntergeregelt werden sollen. "Die dadurch zunehmende Ermüdung von Anlagenteilen ist ein großes Problem", sagte Renneberg. "Die Sicherheitsreserven der Anlage nehmen durch diese Belastungen deutlich ab." RWE und EnBW betonten, es gebe keine Sicherheitsbedenken bei einem flexibleren Betrieb der Anlagen.

dpa