Immer mehr Ältere kaufen am "rollenden Supermarkt"

Immer mehr Ältere kaufen am "rollenden Supermarkt"
Für viele ältere Menschen ist Einkaufen ein Graus. Weit laufen und Kisten schleppen - das können sie nicht mehr. Da ist es schon prima, wenn der Supermarkt bis vor die Haustür kommt.
19.10.2010
Von Birgit Reichert

Wenn Andreas Wald mit seinem Wagen vorfährt und laut bimmelt, kommen die Leute mit ihren Einkaufstaschen schon aus den Häusern. Rasch den Tresen aufgeklappt und schon wird eifrig eingekauft: Brot, Milch, Fleisch, Obst, Gemüse, aber auch Kekse, Malzbier, Eierlikör und Grablichter gibt es bei den rollenden Lebensmittelmärkten "Heiko" direkt vor der Haustür. "Manchen älteren Menschen trage ich die Sachen auch ins Haus", sagt der 40-jährige Verkaufsfahrer, der um die 100 Kunden am Tag versorgt. Für ein kleines Schwätzchen ist immer Zeit: "Man muss auch zuhören können."

Zweimal pro Woche kommt der rollende Supermarkt

Die rund 30.000 Kunden von Heiko sind im Durchschnitt 73 Jahre alt. Sie wohnen in den Dörfern zwischen Aachen und Köln, Trier und Koblenz - und es werden immer mehr. "Wir haben oft neue Anfragen, aber wir können gar nicht alle anfahren", sagt Inhaber Reinhard Steinkamp am Unternehmenssitz Neuendorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Von den 2.100 Ortschaften, die Heiko als bundesweit größter mobiler Verkaufsfahrladen anrollt, haben 81 Prozent kein Geschäft mehr. "Aber auch wenn es noch eines gibt, kommen die älteren Menschen oft gar nicht mehr dahin", sagt Steinkamp.

Schon ein paar 100 Meter seien für einen alten Menschen zu viel, der die Ware mit seinem Rollator nach Hause fahren müsse. Auch aus diesem Grund hat Heiko jetzt Vororte von größeren Städten ins Tourennetz genommen. "In Koblenz fahren wir jetzt sieben Stadtteile an und in Köln sind zehn neu dazugekommen", sagt der 55-Jährige. Manchmal stünden 20 Kunden an einer Haltestelle. Auch ein Altenheim in Köln werde mit frischer Ware aus der Eifel beliefert.

Eine Anfrage für eine weitere Tour ins Saarland habe Steinkamp jetzt ablehnen müssen. "Das ist schade, aber wir finden keine Fachkräfte." Derzeit gebe es 85 Verkaufsfahrer, die auch mit dem im Jahr 2000 übernommenen Frischdienst der Milch-Union Hocheifel (MUH) unterwegs sind. "Wir fahren unsere Kunden zweimal pro Woche an. Einmal mit Heiko und einmal mit dem Frischdienst", sagt der Chef. Der Umsatz des Unternehmens, das auch in Belgien und Luxemburg rollt, beläuft sich auf gut 26 Millionen Euro im Jahr.

"Ich weiß genau, was meine Kunden wollen"

Angefangen hatte alles 1950 mit dem Ei. Denn Gründer Emil Kottsieper hatte zunächst einen Hühnerhof, von dem er Haushalte in nächster Nähe mit Eiern belieferte. Später kamen Hühnerfleisch und andere Waren dazu. "Es ist die Mischung aus persönlichem Verkauf und der Qualität der Produkte, die bis heute das A und O geblieben sind", sagt Steinkamp. Heute noch verkauft Heiko zehn Millionen Eier im Jahr. "Ich komme immer wegen der frischen Eier und der frischen Milch an den Wagen", sagt Kunde Heinz Weimer aus Trier. Und nimmt noch ein Stück Butter mit.

Der Anteil der Kunden, die sich mobil am rollenden Supermarkt voll versorgen, nehme mit den Jahren stetig zu, sagt Steinkamp, der auch stellvertretender Vorsitzender des Verbandes mobiler Lebensmittelhändler ist. Bundesweit seien derzeit rund 1.800 mobile Verkaufsfahrzeuge im Einsatz mit geschätzt etwa einer Million Kundenkontakten pro Woche. "Die meisten sind aber keine Vollsortimenter, sondern haben entweder Obst und Gemüse oder Back- oder Fleischwaren an Bord."

Jeden Morgen werden die Mobil-Läden bei Heiko mit ein paar 100 Produkten bepackt. "Ich weiß genau, was meine Kunden wollen", sagt Fahrer Wald. Und er weiß auch, ob ein Kunde reden will oder nicht. "Es gibt welche, die sehen mich öfter als ihre eigenen Kinder", erzählt er. "Da kann man nicht einfach so schnell wieder weg."

dpa