"Studieren in Fernost": Ost-Hochschulen locken West-Studenten

"Studieren in Fernost": Ost-Hochschulen locken West-Studenten
Weniger Abiturienten, aber mehr Studienanfänger: Den ostdeutschen Hochschulen ist ein Coup gelungen. Sie haben junge Leute aus dem Westen auf die Plätze gelockt, die aus Mangel an Ost-Abiturienten leergeblieben wären. Starkes Argument: Studieren ohne Gebühren.
18.10.2010
Von Sophia-Caroline Kosel

Die TU Dresden lockt mit einzigartigen Fächern, die Uni Magdeburg mit kurzen Wegen und die Uni Leipzig mit einer über 600-jährigen Geschichte. Im nationalen Buhlen um Studenten werben die Hochschulen in den neuen Bundesländern seit einigen Jahren intensiv in eigener Sache. Ihre Kampagnen, die vor allem Abiturienten im Westen Deutschlands ansprachen - etwa unter dem Motto "Studieren in Fernost" -, zeigen Wirkung: Während es noch immer Westdeutsche gibt, die noch kein einziges Mal im Osten der Republik waren, wagen immer mehr junge Leute den Umzug dorthin, wo es wegen eines Geburtenknicks nach dem Mauerfall nun weniger Gymnasiasten gibt.

"Pack dein Studium. Am besten in Sachsen"

Trotz der geburtenschwachen Abi-Jahrgänge blieben etwa die Zahlen der Erstsemester an sächsischen Hochschulen annähernd konstant. An der Uni Leipzig gibt es 6.000 Neu-Immatrikulierte, 1.000 Erstsemester stammen aus den alten Bundesländern. "Dass die Zahl der westdeutschen Studierenden steigt, scheint mit der sächsischen Kampagne zusammenzuhängen", sagt Uni-Sprecherin Manuela Rutsatz.

Sie meint "Pack dein Studium. Am besten in Sachsen", eine Kampagne, mit der alle 15 sächsischen Hochschulen seit 2008 im Internet, in sozialen Netzwerken und in westdeutschen Gymnasien für sich werben. "Viele Jugendliche haben eine Hemmschwelle, kommen nicht von sich aus darauf, in den Osten zu gehen", sagt Sabine Hülsmann, die Verantwortliche für die Kampagne. Die Pluspunkte der sächsischen Universitäten? "Das beste Lockmittel sind die nicht vorhandenen Studiengebühren", sagt Karsten Eckold, Sprecher der TU Dresden.

Einschreiberekord mit Tücken

Bis vor wenigen Jahren kam der Großteil der Studenten an den ostdeutschen Universitäten aus dem Osten. In Thüringen stammt nun zum Semesterstart erstmals jeder dritte Studienanfänger aus dem Westen - deutlich mehr als noch vor einem Jahr. "Die Ausstattung, das Verhältnis von Studierenden und Lehrkräften sowie unsere Studienangebote sind Fakten, die für Thüringen sprechen", sagt Thüringens Bildungsminister Christoph Matschie (SPD). Im Westen steigen die Zahlen der Abiturienten noch, sowohl durch geburtenstarke Jahrgänge als auch durch Umstellungen auf das Abitur in 12 Jahren.

Sehr groß ist der Anteil von West-Abiturienten an den beiden Universitäten in Sachsen-Anhalt: Die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg meldet einen Anteil von 42 Prozent an den Erstsemestern, an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kommt etwa jeder dritte neue Student aus dem Westen Deutschlands und Berlin. Die Uni freut sich nun sogar über einen Studentenrekord. Die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) vermeldet auch einen Einschreiberekord, allerdings lernen dort viele junge Leute aus Mittel- und Osteuropa.

Im Freudentaumel tauchen auch erste Probleme und Warnungen auf. So haben einige Universitäten nun Raumprobleme, in Halle wurden Vorlesungen für künftige Betriebswirtschaftler in eine Varieté-Bühne verlegt. Und der sächsische SPD-Hochschulpolitiker Holger Mann warnt davor, diese Erfolge zu gefährden, indem die Hochschulen in den nächsten Jahren finanziell "kaputtgekürzt" werden.

dpa