Begehrte Ausbildung: Casting an der Journalistenschule

Begehrte Ausbildung: Casting an der Journalistenschule
Journalist ist für viele junge Menschen ein Traumberuf. Die wenigen Plätze an Journalistenschulen sind umkämpft, die Auswahlverfahren sind hart. Auch bei der Evangelischen Journalistenschule. Wer einen Ausbildungsplatz erhalten will, muss gute Allgemeinbildung, journalistisches Talent und überzeugende Persönlichkeit unter Beweis stellen.
08.10.2010
Von Monika Konigorski

"Wie viele Chromosomen hat das menschliche Genom?" und "Welche beiden Preise hat Sandra Bullock innerhalb von zwei Tagen bekommen?" Bastian Deliga will Journalist werden. Deshalb sitzt er nun an einem kleinen Tisch und muss wie 31 andere Bewerber 56 Fragen beantworten. Der Wissenstest ist der erste Teil der Aufnahmeprüfung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin. Nur die Hälfte der Kandidaten erhält später einen der begehrten Ausbildungsplätze.

Schon am 1. November soll es mit dem 9. Ausbildungsjahrgang losgehen. "400 Interessierte (oder 150 Bewerber) gab es insgesamt", sagt der publizistische Vorstand der Schule, epd-Chefredakteur Thomas Schiller. Wer an diesem Morgen den Wissenstest in Berlin ausfüllt, hat also schon die erste Hürde genommen. Neben dem Lebenslauf wurden vor allem ein Kommentar und eine Reportage, die die Bewerber einreichen mussten, genau unter die Lupe genommen. Wer nun noch "46" und "Oscar und Goldene Himbeere" auf seinen Fragebogen schreibt, kommt seinem Traumberuf Journalist vielleicht noch einen Schritt näher.

Geschichte und Jura

Bastian Deliga ist gerade mit dem Studium fertig geworden – Geschichte und Jura waren seine Fächer. Aber auch als Journalist war er schon unterwegs, bei der Lokalzeitung und beim Südwestrundfunk in Mainz. Er gibt sich gelassen und erklärt, dass er sich Nervosität im Laufe seines Studiums abgewöhnt habe . Politik sei zwar sein Spezialgebiet, er sei aber sehr vielseitig interessiert . "Ich befrage eigentlich alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist . "

Antje Clemens ist weniger forsch. Sie sei nervös, gibt sie zu. Zur Vorbereitung auf den Test hat sie viel Zeitung gelesen und sich Karteikarten gemacht mit den Gesichtern von Prominenten darauf, um für den Bildertest zu üben, der ebenfalls zum Wissenstest gehört. Warum Antje ausgerechnet zur Evangelischen Journalistenschule will? Das Leitbild der Schule gefalle ihr, sagt sie. “Journalisten mit Rückgrat wollen die ausbilden – das finde ich gut."

Arbeitsproben

Neben den Ergebnissen des Wissenstests kommen beim Auswahlverfahren in Berlin noch der persönliche Eindruck in einem Vorstellungsgespräch und eine journalistische Arbeitsprobe zu einem bis dahin unter Verschluss gehaltenen Thema dazu. "Geschichten rund um den Bahnhof Zoo" lautet das Thema in diesem Jahr. "2000 Zeichen maximal, Abgabe ist um 17 Uhr. Pünktlich!", sagt der Leiter der Schule, Oscar Tiefenthal. Wenn jemand erst fünf Minuten später abgebe, werde seine Reportage nicht gewertet.

Für Tiefenthal ist es der erste Ausbildungsjahrgang, den er selbst mit auswählt. "Wir suchen junge Persönlichkeiten, die sowohl menschliche als auch fachliche Kompetenzen mitbringen", sagt er. Natürlich freue er sich über qualifizierte evangelische Bewerber, aber ausgewählt werde, wer fachlich am besten geeignet sei. Die Evangelische Journalistenschule steht jedem offen, der sich „für die Menschen und ihre Wirklichkeit“engagieren will und bereit ist, sich mit den christlichen Werten und der Evangelischen Kirche auseinanderzusetzen.

Geschichten vor der Tür

Der Bahnhof Zoo liegt direkt vor der Haustür der Journalistenschule. "Hier gibt es genug Geschichten, glauben Sie mir, ich bin ja jeden Tag hier", sagt Tiefenthal. Jetzt kommt es für die Bewerber nur darauf an, schnell genug auf eine der Geschichten zu stoßen. Bastian Deliga zieht mit Block und Stift los. Vorher winkt er noch seiner Sitznachbarin vom Wissentest zu, einer 25-Jährigen aus München. "Viel Glück", ruft er.


Monika Konigorski ist freie Journalistin in Berlin und Absolventin der Evangelischen Journalistenschule