Atomlager Schacht Konrad droht Verzögerung bis 2019

Atomlager Schacht Konrad droht Verzögerung bis 2019
Der Bundesregierung droht in der Atomdebatte neues Ungemach. Der Start von Schacht Konrad, dem einzigen bisher genehmigten Lager für schwach - und mittelradioaktiven Müll, könnte sich um fünf Jahre bis 2019 verzögern.
23.09.2010
Von Georg Ismar

Der Bundesregierung droht ein herber Rückschlag bei der Entsorgung von Atommüll. Der Start des dringend benötigten neuen Lagers für schwach und mittelradioaktiven Atommüll, Schacht Konrad, könnte sich um fünf Jahre verzögern. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) habe dem Umweltministerium mitgeteilt, dass das Atommülllager in Niedersachsen aufgrund von Bauverzögerungen nicht 2014, sondern womöglich erst 2019 betriebsbereit sein könnte.

Schacht Konrad soll bis zu 303.000 Kubikmeter Abfälle aus Kernkraftwerken und Forschungseinrichtungen aufnehmen. Die für den Bau zuständige Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe (DBE) hatte zuvor nach dpa-Informationen darauf aufmerksam gemacht, dass es zu Bauverzögerungen kommen würde. Auch die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag) berichtete über entsprechende Verzögerungen.

Schacht Konrad sollte längst fertig sein

Die DBE ist ein Tochterunternehmen der deutschen Energiekonzerne. Mit der Verzögerung könnte das Lager in dem ehemaligen Eisenerzbergwerk bei Salzgitter wesentlich teurer werden als die bisher veranschlagten 1,6 Milliarden Euro. Zudem drohen Mehrkosten, weil der schwach- und mittelradioaktive Abfall weiterhin bei den Atomkraftwerken und in anderen Lagern zwischengelagert werden müsste.

Ein BfS-Sprecher betonte auf Anfrage: "Die in diesem Jahr gemeldeten Zeitverzögerungen lassen sich nicht allein durch objektive Gründe wie etwa falsche Annahmen, die fast 20 Jahre alt sind, erklären". Das BfS erwarte, dass die Beteiligten alle Möglichkeiten zur schnelleren Errichtung des Endlagers nutzen würden.

Die Planungen für Schacht Konrad wurden schon Anfang der 1980er Jahre aufgenommen, ursprünglich sollte dieses bisher einzige genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll in Deutschland schon längst fertig sein.

Streit zwischen Bundesamt und Ministerium

Für die Bundesregierung ist die Verzögerung eine weitere Hiobsbotschaft. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatte stets betont, für schwach- und mittelradioaktive Abfälle gebe es mit Schacht Konrad eine Lösung, die in wenigen Jahren betriebsbereit sei. Röttgen will nun mit Nachdruck die Endlagersuche vorantreiben. Am 1. Oktober wird die Erkundung Gorlebens wieder aufgenommen. Als ultima ratio sollen auch Enteignungen möglich sein.

Zudem gibt es Irritationen zwischen dem Ministerium und dem Bundesamt für Strahlenschutz. Am Mittwoch hatte das Umweltministerium Versuche, dem BfS die Befugnis für die Genehmigung von Privatisierungen bei Atomlagern zu entziehen, auf Intervention des Kanzleramtes gestoppt. Ein entsprechender Passus, der die Entscheidung über Privatisierungen dem Ministerium übertragen hätte, soll nun nicht in das neue Atomgesetz aufgenommen werden, in dem auch die im Schnitt 12 Jahre längeren Atomlaufzeiten geregelt werden.

Grüne üben massive Kritik an den Atomplänen

Die Opposition sprach von einer geplanten Entmachtung von BfS-Chef Wolfram König. Er ist Grünen-Mitglied und Kritiker längerer Atomlaufzeiten. Die Regierung will diese um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, wenn die Atomindustrie für ein Endlager verantwortlich wäre, würde "der Bock zum Gärtner gemacht". Denn das Interesse der Atomindustrie sei, "möglichst schnell und preiswert möglichst viel Atommüll zu verbuddeln".

Die Grünen haben außerdem Bedenken, dass die existierenden Zwischenlager für Atommüll an ihre Kapazitätsgrenzen kommen, wenn die Kernkraftwerke länger laufen. Dies sei nicht der Fall, antwortete die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Im Falle einer Verlängerung um zehn Jahre bei vollem Leistungsbetrieb würde bei keinem der genannten Zwischenlager (Biblis, Brokdorf, Grafenrheinfeld, Gundremmingen und Krümmel) die genehmigte Gesamtmasse innerhalb der Betriebszeit der Reaktoren erreicht. Lediglich für das in Stilllegung befindliche Kernkraftwerk Obrigheim sei die Errichtung eines Zwischenlagers beantragt worden, heißt es.

Sylvia Kotting-Uhl, die atompolitische Sprecherin der Grünen- Bundestagsfraktion, hält die Angaben der schwarz-gelben Regierung für nicht plausibel: "Ich bezweifle diese Aussagen und wundere mich, dass das Bundesumweltministerium sie nicht richtig belegt. Nach unseren Berechnungen wären beispielsweise die Kapazitäten von Biblis sehr früh erschöpft."

dpa