Siegen für ein Wochenende heimliche Landeshauptstadt

Siegen für ein Wochenende heimliche Landeshauptstadt
Etwa 400.000 Besucher, so die Schätzung der Polizei, erlebten ein gewaltiges Kultur- und Veranstaltungsprogramm am NRW-Tag vom 17. bis 19 September in Siegen. Als die „heimliche Landeshauptstadt“ an diesem Wochenende bezeichnete Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Stadt unter dem Krönchen.
20.09.2010
nrw.evangelisch.de

15 Bühnen waren in der Innenstadt aufgebaut, auf denen rund 330 Stunden lang Musik, Tanz, Comedy und Theater veranstaltet wurden. Auf 12 Themenmeilen zeigten die Jugend, der Tourismus, Bürgerinitiativen, Heimatvereine oder der Märchenpark was die Stadt unter dem Krönchen und das Umland so alles zu bieten haben. Und das konnte sich sehen lassen. Darunter auch die Kirchenmeile, auf der verschiedene Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen ihre Angebote präsentierten.

Bürgergemeinde und Christengemeinde

Zu Beginn des Geburtstagsfestes des Landes NRW feierten Bürgergemeinde und Christengemeinde auf dem Platz des Unteren Schlosses einen ökumenischen Gottesdienst unter dem doppeldeutigen Motto „Siegen ist nicht alles“. Das Motto zog sich wie ein roter Faden durch den Gottesdienst, an dem rund 1000 Menschen teilnahmen. Darunter Nordrheinwestfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Siegens Bürgermeister Steffen Mues und Landrat Paul Breuer, Landesminister sowie Bundestags- und Landtagsabgeordnete. Und auch so mancher Besucher, der eher zufällig den Platz betrat, blieb stehen und schenkte dem Geschehen auf der großen Bühne seine Aufmerksamkeit.

Blick auf die Menschen gelenkt, die sich nicht im Glanze der Stadt sonnen können

Mit brillanter Bläsermusik stimmte das Blechbläserensemble „pro musica sacra“ die Gottesdienstgemeinde ein.  In ihrer Predigt lenkte Superintendentin Annette Kurschus den Blick auf die Menschen, die sich nicht im Glanze der Stadt sonnen können und dennoch auch zu ihr gehören: Arbeitslose, Wohnungslose, Hartz-IV-Empfänger, Abgewiesene und nicht Beachtete. Kurschus: „Alle tragen sie einen Namen; alle haben sie eine eigene unverwechselbare Geschichte. Ihre Geschichte ist bei uns in Siegen, wo heute und morgen Nordrhein-Westfalen Geburtstag feiert.“

"Wirf auf Gott, was dich belastet"

Diesen Menschen lieh der Beter des uralten Psalms 55 im Gottesdienst seine Stimme. „Was sie bewegt, ist ebenso wichtig wie alles, was wir bei diesem Fest gern vorzeigen, was gelungen ist und sich verheißungsvoll entwickelt, woran wir uns freuen und worauf wir stolz sind,“ so die Superintendentin. Der Psalmbeter lenkte den Blick auf Gott: „Wirf auf Gott, was dich belastet.“ Kurschus: „Lasten und Sorgen gehören zu unserem Leben. Auch solche, die geradezu unsere Pflicht sind, wenn wir verantwortlich leben wollen und Verantwortung tragen für andere.“

Gegen den Raubbau an den Grundlagen des Lebens

Die Superintendentin nannte die auseinandertriftende Schere zwischen Alt und Jung, zwischen Arm und Reich und zwischen Zugewanderten und Einheimischen. Und sie erinnerte daran, dass wir Raubbau treiben an den Grundlagen unseres Lebens. Kurschus: „Was ich wie selbstverständlich konsumiere und genieße, frisst unseren Kindern und Kindeskindern die Lebensgrundlage auf.“ Wirf auf Gott, was dich belastet.

Kurschus: „Wir werden daran erinnert: Nicht ihr seid es, die der Welt den Takt geben. Es hängt nicht alles von euch ab. Ihr müsst nicht die Welt retten. Nicht einmal Nordrhein-Westfalen oder Siegen. Von diesem Größenwahn befreit, könnt ihr als begrenzte, in euren Möglichkeiten beschränkte Menschen aufrecht den nächsten, kleinen Schritt tun. Damit Siegen ein Ort bleibt, wo Menschen auch dann ihr Ansehen und ihr Auskommen behalten, wenn sie verlieren. Ein Ort, an dem auch die im Dunkeln gesehen werden. Und gehört.“

Moderne Gospels und Kirchenlieder

Dechant Werner Wegener und Pastor Michael Geisler (Baptisten) führten durch den Gottesdienst. Schülerinnen und Schüler des Evangelischen Gymnasiums unter der Leitung von Pfarrer Martin Albrecht trugen eine Sprechmotette vor und die Kantorei Siegen zeigte unter der Leitung von Kirchenmusikdirektorin Ute Debus, dass anspruchsvolle moderne Gospel und Kirchenlieder auch die gehobene Gottesdienstmusik bereichern können.

Die Künstlerin Natascha Zowierucha interpretierte Psalm 55 in einer eigenen Rap-Version: „Wirf auf Gott, was dich belastet, wir siegen wenn wir Schwäche zeigen, seht euch um, wie unsere Stadt lebt, nur dann kommen gerechtete Zeiten.“ Ausdrucksstark und humorvoll widmete sich Jan Vering (Apollo Theater) dem alten Choral „Jesu, hilf siegen“, den Eckhard Pankratz mit Posaune vertonte. 14 Mal, so Vering augenzwinkernd, werde der Name der Stadt in dem geistlichen Kampflied aus dem Jahre 1691 genannt. Nach der Predigt bot ein liturgischer Tanz der katholischen Frauengruppe Eiserfeld Gelegenheit, die Predigt nachklingen zu lassen.

10.000 Menschen haben mitgewirkt

10.000 Menschen aus Stadt und Region, so Bürgermeister Steffen Mues in seiner Begrüßung, wirken bei diesem Landesfest mit. Für eine Stadt mit 104.000 Einwohner, eine unglaubliche Zahl. Er lud die Festgäste ein, an diesem Wochenende selbst zu sehen und zu erleben wie Siegen ist. Ein „Nordrhein-Westfalen Bäumchen“ hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft der Stadt Siegen mitgebracht. Es soll seinen Platz im Park des Oberen Schlosses finden. (Karlfried Petri)

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