Loveparade wie gehabt: Niemand will Schuld haben

Loveparade wie gehabt: Niemand will Schuld haben
Die Politik kommt bei der Aufklärung der Loveparade-Katastrophe nicht voran. Im Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages dominierten am Donnerstag wieder gegenseitige Schuldzuweisungen von Veranstalter, Polizei und Stadt.

Auch fast sechs Wochen nach der Loveparade von Duisburg schieben sich Veranstalter, Polizei und Stadt weiter die Verantwortung für die Katastrophe mit 21 Toten zu. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) verteidigte am Donnerstag bei einer Sitzung des Landtags-Innenausschusses sein Verbleiben im Amt. Laut Opferanwalt Gerhart Baum herrscht bei den Hinterbliebenen sowie bei den Verletzten der Loveparade großes Unverständnis über die gegenseitigen Schuldzuweisungen.

Suaerland: "Die Sicherheit stand immer im Vordergrund"

Sauerland betonte, bei allen Planungen der Stadt habe immer die Sicherheit der Teilnehmer der Loveparade im Vordergrund gestanden. Diese Veranstaltung sei "nicht aus dem Boden gestampft" worden. Bedenken seien im Zuge des Planungsverfahrens ausgeräumt worden. "Meine Mitarbeiter haben rechtmäßig gehandelt", sagte der Oberbürgermeister.

Die Aufarbeitung der Katastrophe sei zu komplex, "als dass man es bei schnellen Lösungen belassen könnte", sagte Sauerland. Deshalb habe er sich entschlossen, trotz eines "fast beispiellosen öffentlichen Drucks mein Amt auszuüben". Mitte September soll in einer Sondersitzung des Duisburger Rates über eine mögliche Abwahl des Oberbürgermeisters entschieden werden.

Lopavent-Vertreter scharf kritisiert

Loveparade-Veranstalter Rainer Schaller war nicht zu der Ausschusssitzung gekommen. Ein Vertreter der Veranstaltergesellschaft Lopavent warf der Polizei erneut schwere Fehler am Unglückstag vor. Lopavent beschuldigt die Polizei, im entscheidenden Moment durch die Bildung einer Polizeikette das völlig überfüllte Veranstaltungsgelände abgesperrt zu haben. Dadurch hätten die Besucher keine Fluchtmöglichkeit gehabt.

"Wer hat den Befehl gegeben, auf der Rampe eine Kette aufzustellen?", fragte Lopavent-Anwalt Niko Härting im Innenausschuss. "Warum blieb die Kette 30 Minuten stehen?" Die Darstellung der Polizei, dass die Kette auf der Rampe auf Anforderung des sogenannten Crowd-Managers gebildet wurde, wies er zurück. Der Crowd-Manager sei dazu gar nicht befugt. Der Inspekteur der NRW-Polizei, Dieter Wehe, widersprach entschieden: "Die Sperrung der Rampe erfolgte auf Ersuchen des Veranstalters."

Der Lopavent-Vertreter wurde von SPD und Grünen im Ausschuss scharf attackiert. Statt Fragen zu beantworten, habe dieser nur Gegenfragen gestellt. Er habe keine Antwort gegeben, warum das Veranstaltungsgelände viel zu spät geöffnet wurde, es keine Lautsprecherdurchsagen und keine ausreichende Beschilderung im Tunnel vor dem Gelände gegeben habe. Für die CDU ist dagegen weiter unklar, warum die Polizei nicht früher eingegriffen hat. Darauf habe Innenminister Ralf Jäger (SPD) bisher keine Antwort gegeben.

Jäger kritisierte, dass gegen die Polizei "ungeheuerliche Vorwürfe" erhoben würden. "Vorfestlegungen oder gar Schuldzuweisungen, wie sie in den letzten Tagen geäußert wurden, sind unseriös und interessengeleitet", sagte der Minister. Er räumte ein, dass "zwischen allen Beteiligten verbindlich abgesprochene Kommunikationswege (...) in der entscheidenden Phase offensichtlich nicht genutzt" wurden.

Ausschussvorsitzende und Opfer enttäuscht

Das Innenministerium sieht schwere Versäumnisse bei Lopavent. Vor allem der Einsatz von zu wenigen Ordnern angesichts der drohenden Überfüllung des Rampenkopfes wird in einer schriftlichen Stellungnahme kritisiert. Die Ordnerkapazitäten hätten nicht ausgereicht, bei der drohenden Überfüllung die notwendigen und verbindlich abgesprochenen Maßnahmen umzusetzen, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Papier des Ministeriums.

Opferanwalt Baum sagte, die Betroffenen seien geradezu angewidert von dem Versuch der Beteiligten, jegliche Verantwortung von vornherein von sich zu weisen. "Sie stehen fassungslos vor der Tatsache, dass offenbar für den Tod von 21 Menschen und vielen Verletzten niemand verantwortlich ist", sagte der frühere Bundesinnenminister im Deutschlandradio Kultur (Berlin).

Die Ausschussvorsitzende Monika Düker (Grüne) zog nach der über sechs Stunden dauernden Aussprache eine negative Bilanz: "Es ist enttäuschend, dass wir auf dem Weg zu einer Klärung der Verantwortlichkeiten nicht sehr viel weiter gekommen sind", sagte sie. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Peter Biesenbach, sagte nach der Sitzung: "Wir sind einen Schritt weiter, aber noch lange nicht am Ziel." Es habe keine neuen Fakten gegeben.

dpa