Konservative Lutheraner wollen neue Kirche gründen

Konservative Lutheraner wollen neue Kirche gründen
In der größten lutherischen Kirche der USA, der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, haben sich im Konflikt um Sexualethik, Homosexualität und Bibelauslegung die Fronten verhärtet: Konservative "bekennende" Theologen und lutherische Gemeinden wollen eigene Wege gehen und in dieser Woche eine neue Kirche gründen, die Nordamerikanische Lutherische Kirche.
24.08.2010
Von Konrad Ege

Auslöser für diese Abspaltung ist ein Beschluss der US-Lutheraner vom August vergangenen Jahres, mit dem offen lesbisch und schwul lebenden Theologen der Weg ins Pfarramt geöffnet werden soll. Dadurch sei der Schritt zu einer neuen Kirchen unvermeidbar geworden, sagte Pastor Mark Chavez, einer der Koordinatoren der Gründungsversammlung am Donnerstag und Freitag in Grove City im US-Staat Ohio.

Motor hinter der neuen Kirche ist die "Koalition für Erneuerung", ein Verband konservativer lutherischer Geistlicher und Gemeinden. Mehr als 1.000 Gläubige werden bei der Kirchengründung erwartet. Die Nordamerikanische Lutherische Kirche versteht sich als Gegengewicht zu der angeblich zu liberalen und bibelfernen Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, die 1988 aus der Fusion von drei Kirchen hervorging.

Dutzend Gemeinden wollen beitreten

Die neue Kirche verkörpere das "Zentrum des Luthertums in Amerika" und halte fest an der Autorität der Heiligen Schrift als der "einzigen Quelle und Norm für Glauben und Leben", erläutert Chavez. Natürlich fange die neue Kirche zahlenmäßig klein an, räumt er ein. Schon vor der Kirchengründung hätten ein gutes Dutzend Gemeinden ihren Beitritt erklärt. Er sei beeindruckt, sagt Chavez, dass Hunderte der 10.300 lutherischen Gemeinden einen Ausstieg aus der "Mutterkirche" erwögen.

John Brooks von der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika sagte, die Kirche bedauere Austritte. Bisher hielten sie sich allerdings in Grenzen. Rund 200 der mehr als 10.000 Gemeinden hätten sich wegen der Entscheidung, das Pfarramt für in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebende Geistliche zu öffnen, von ihrer Heimatkirche verabschiedet und der Lutherischen Gemeinschaft Mission für Christus angeschlossen. Auch bei den Anglikanern in den USA gab es über den Umgang mit homosexuellen Geistlichen heftige Kontroversen.

In den USA gibt es vier große lutherische Kirchen: die 4,5 Millionen Mitglieder zählende Evangelische Lutherische Kirche in Amerika, die theologisch konservative Missouri Synode (2,4 Millionen) und die Evangelisch Lutherische Synode Wisconsin (400.000), sowie die Lutherische Gemeinschaft Mission für Christus, die rund 500 Gemeinden vereint und sich durch "flache Hierarchie" ohne Bischof auszeichnet.

Abspaltung mit Skepsis betrachtet

Über die Bedeutung der neuen Nordamerikanischen Lutherischen Kirche gehen die Meinungen auseinander. Der lutherische Kirchenhistoriker Martin Marty (82) sieht Abspaltungen grundsätzlich mit Skepsis. Eine Abspaltung ziehe häufig die nächste nach sich, wenn Pfarrer und Gemeinden die Wahrheit für sich allein reklamierten. Gerade die kontroverse Frage von Homosexualität und Pfarramt sei in der Evangelisch Lutherischen Kirche in Amerika über Jahre diskutiert worden, sagte Marty dem epd. Deshalb könne man nicht behaupten, liberale Kirchenführer hätten Gemeinden die Reform aufgezwungen.

Anders als die beiden großen konservativen lutherischen Kirchen, die Missouri Synode und die Wisconsin Synode, will die Nordamerikanische Lutherische Kirche Frauen zum Pfarramt zulassen. In der neuen Kirche soll es laut Chavez einen oder mehrere Bischöfe geben. Die neue Kirche werde sich auch um die Mitgliedschaft im Lutherischen Weltbund bemühen. An einer Mitarbeit im Weltkirchenrat und im Nationalen Kirchenrat der USA sei man hingegen nicht interessiert.

Der Kirchenhistoriker Marty erwartet, dass nur wenige engagierte Gemeinden die Evangelische Lutherische Kirche in Amerika verlassen werden. Er verweist allerdings darauf, dass Kirchen in den USA häufig Schwierigkeiten hätten, Mitglieder zu binden. Dies führt Marty auf den "offenen Markt" zurück, auf dem sich Gläubige für diese oder jene Kirchengemeinde entscheiden.

epd