Hebammen kämpfen ums berufliche Überleben

Hebammen kämpfen ums berufliche Überleben
Die Nachfrage nach freien Hebammen in der Geburtshilfe ist groß. Und doch steckt der Beruf in der Krise: zu gering ist der Verdienst, zu hoch sind die Nebenkosten.
19.07.2010
Von Barbara Driessen

Vorsichtig legt Hebamme Monika Meschede (48) die zwei Wochen alte Ava in ein Tuch und hängt sie damit an eine Waage. "4.350 Gramm", verkündet sie den stolzen Eltern. Schnell noch eine neue Windel, dann darf Ava zum Papa Andreas Hirschmann zurück auf den Arm. Er war dabei, als seine Tochter bei ihnen zu Hause zur Welt kam.

Hohe Nachfrage nach freie Hebammen

Mutter Julia Grafflage (34) würde sich sofort wieder für eine Hausgeburt entscheiden: "Eine Geburt ist doch das Intimste, was man je macht im Leben." Die Vorstellung, dabei von Ärzten und anderen Fremden umgeben zu sein, schreckt sie ab. So wie sie denken viele - die Nachfrage nach freien Hebammen in der Geburtshilfe ist groß. Und doch steckt der Beruf in der Krise: zu gering ist der Verdienst, zu hoch sind die Nebenkosten.

Vor allem die enorm gestiegenen Prämien für die Haftpflichtversicherung in der Geburtsmedizin machen den Hebammen in Deutschland zu schaffen: Zum 1. Juli sind die Beiträge von 2.370 auf 3.689 Euro im Jahr erhöht worden - dabei liegt das zu versteuernde Durchschnittseinkommen einer in Vollzeit tätigen Hebamme bei etwa 1.180 Euro monatlich, was einem Stundenlohn von 7,50 Euro entspricht. "Davon allein kann man nicht leben", sagt Edith Wolber vom Deutschen Hebammenverband in Karlsruhe, "und davon können Hebammen auch nicht die Haftpflicht bezahlen."

Jede zehnte Hebamme ist ausgestiegen

Als Folge davon geben immer mehr Hebammen die Geburtshilfe auf. "Etwa zehn Prozent der Geburtshelferinnen sind bereits ausgestiegen, zum Jahresende werden es weitere sein", sagt Wolber. Schon vor der dramatischen Prämienerhöhung war ohnehin nur noch ein Drittel der etwa 18.000 deutschen Hebammen in der Geburtshilfe tätig. Der Rest beschränkt sich auf Geburtsvorbereitung und -nachsorge. "Denn die Haftpflicht ist nur für diejenigen so teuer, die tatsächlich Geburten betreuen", erläutert Wolber.

Als wenig rosig schätzt auch Hebamme Linda Frank aus Köln-Ehrenfeld ihre beruflichen Aussichten ein. Sie will fortan zwar noch Hausgeburten annehmen: 637 Euro zahlen die Krankenkassen nach einer Erhöhung um 100 Euro nun dafür. Um aber weiterhin über die Runden zu kommen, denkt sie über zusätzliche Einnahmequellen nach: "Vielleicht gebe ich bald Yoga-Kurse für Schwangere oder veranstalte Baby-Krabbelgruppen", sagt Frank.

Die sogenannten Beleggeburten, bei denen einen freiberufliche Hebamme die von ihr betreute Frau zur Geburt in ein Krankenhaus begleitet, lohnten sich dagegen am wenigsten: "Für 240 Euro bin ich rund elf Stunden im Dienst, das mache ich nicht mehr", sagt Frank resigniert. Sie muss fast täglich Anfragen für Beleggeburten ablehnen. Auch Monika Meschede bestätigt: "Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot." Diese Situation werde sich durch die Erhöhung der Versicherungsprämien nun noch deutlich verschärfen, befürchten beide.

Schiedstelle soll vermitteln

Das Anliegen deutscher Hebammen stößt auf große Resonanz: Nachdem bis Mitte Juni 186.000 Unterschriften gesammelt wurden, fand Ende Juni eine Anhörung vor dem Petitionsausschuss des Bundestages statt. Eine Schiedsstelle wurde damit beauftragt, zwischen dem Spitzenverband der Krankenkassen und den Hebammenverbänden zu vermitteln. Doch das Anfang Juli veröffentlichte Ergebnis blieb weit hinter den Forderungen der Hebammenverbände zurück: 100 Euro mehr für eine Hausgeburt und ganze acht Euro mehr für Beleggeburten.

"Das ist einfach ein Hohn", kommentiert Hebamme Monika Meschede. Julia Grafflage, die zum ersten Mal Mutter geworden ist, findet die ganze Situation unbegreiflich: "Es kann doch nicht sein, dass man uns Frauen vorschreibt, wie wir zu entbinden haben."

epd