Idee für Herrn Rösler: Pendler-Kliniken nach Kieser-Art

Idee für Herrn Rösler: Pendler-Kliniken nach Kieser-Art
Okay, es ist Sommer, es ist warm - und Zahnschmerzen und Entzündungen aller Art sind ein Gräul. Vor allem, wenn Arzt und Apothekerin immer genau in der falschen Stadt sind.
09.07.2010
Von Ursula Ott

Meine Woche vom 5. bis 9. Juli

Montag

Es gibt ein paar Dinge, die ganz blöd sind beim Pendeln. Ich finde, das Schlimmste sind Zahnschmerzen. Weil der Zahn immer dann weh tut, wenn der Zahnarzt grade in der anderen Stadt ist. Ich muss leider ganz oft zum Zahnarzt, und wäre ich Privatpatientin, würde ich mir einen in Köln und einen in Frankfurt leisten. Oder einen fliegenden Doktor im Großraumwagen. Aber ich bin bei der DAK. Und die hat das sogar einen Sommer lang mit gemacht und bezahlt (meine Zähne sind nicht gemacht für heiße Sommer). Ich hatte einen Zahnarzt in Kelsterbach bei Frankfurt, der wegen der Nähe zum Flughafen großes Verständnis hatte für Patienten, die kommen und gehen. Und meinen Stamm-Arzt in Köln, aber der fand das blöd mit dem Kollegen in Frankfurt, der angeblich eine andere "Philosophie" hatte bei der Wurzelbehandlung. So wurde ich auf der Zugstrecke zwischen Köln und Frankfurt zu einer Art interkulturellem Dolmetscher zwischen der Kölner Wurzelphilosophie und der Frankfurter. Das wollte ich aber gar nicht, ich wollte nur heile Zähne.

Dienstag

Es gibt noch etwas, das ganz doof ist beim Pendeln. Wenn die Mutter in Frankfurt im Büro sitzt, und der Babysitter zuhause die Tür nicht aufkriegt. Hitzeschaden am Türschloss. Der Babysitter hat zu allem Überfluss Fisch gekocht fürs Abendessen, und in Köln sind 30 Grad. Jetzt sitzt sie mit Fisch und Kind auf der Treppe und wartet, bis ich von Frankfurt aus einen Kölner Schlüsselnotdienst losschicke. Kann passieren. Aber ich werde den Eindruck nicht los, sie sorgt sich mehr um den Fisch als um das Kind. Und mit allem Drum und Dran kosten mich diese Lachs-Nudeln 117 Euro, wg Schlüsseldienst. Da hätte ich die Kinder auch mit nach Frankfurt in ein edles Restaurant nehmen können. Aber sie haben ja noch Schule.

Mittwoch

Naja, was sich halt so Schule nennt. Filme gucken, Fahrrad-Führerschein, Sommerfest vorbereiten. Ich glaube, ich bin die einzige in der Familie, die noch richtig arbeitet, wir haben heute Redaktionsschluss. Und ich quäle mich in Köln mit der überhitzten S-Bahn über die Deutzer Brücke zum ICE Bahnhof. Hilfe, was ist das denn? Laut dröhnen die Höhner mitten auf der Brücke "Willkommen in Köln". Ein neuer Gag der Kölner Verkehrsbetriebe. Damit auch wirklich alle wach werden bei der trägen Stimmung in der Bahn.

Donnerstag

Bin auf Reportage in Köln, auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses. Ein Tag ohne Pendeln! Gleich das erste Kind, das ich kennenlerne, wurde direkt nach der zu frühen Geburt per Hubschrauber hier her geflogen. In einem Transport-Inkubator, tolles Wort. Und seither wurde der kleine Wurm dreimal am Herzen operiert. Ein rasanter Start ins Leben. Und ich Jammerlappen stelle mich an wegen dem ICE zwischen Köln und Frankfurt. Es relativiert sich an diesem Tag so einiges.

Freitag

Ich sags doch, nichts ist blöder als krank und pendeln. Jetzt hat mich bei der Hitze auch noch eine Blasenentzündung erwischt, und die dafür zuständige Frauenärztin habe ich tatsächlich in Frankfurt. Dahin schaffe ich es aber nicht, zu schlapp. Klar kann sie mir ein Rezept schicken, sagt sie, aber das dauert einen Tag. Kennen Sie nicht eine Stamm-Apotheke, die Ihnen heute schon mal das Antibiotikum gibt, wenn Sie morgen das Rezept nachreichen? Nein, wer pendelt, hat eben keine Stammapotheke, ich decke mich meistens an einem der Bahnhöfe ein, da kennt einen gar niemand. Ich probiere es trotzdem. Die Apotheke vor meiner Kölner Wohnung nennt sich im Untertitel "Die Apotheke für Freunde". Na, Freunde hat der moderne Mensch doch in aller Welt, warum nicht in Frankfurt? Nein, sagt die Apothekerin, sie kann kein Medikament rausrücken ohne Rezept, und dann noch von einer Ärztin in einer anderen Stadt. Es ist zum Heulen. Ich bin für Polikliniken, am besten im Franchise-System. So wie Kieser-Training. Damit ich mit meiner Karte überall einchecken kann und alle Ärzte und Apotheken meine Daten kennen. Hallo Herr Rösler, ich muss doch jetzt eh so viel bezahlen – könnte ich das nicht als Gegenleistung erwarten?


Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon, Chefredakteurin von evangelisch.de, Mutter von zwei Kindern und pendelt täglich zwischen Köln und Frankfurt. www.ursulaott.de.

Neu im Buchhandel: Ursula Ott: "JA TOLL - Geschichten, die immer nur mir passieren", erhältlich im chrismon-shop!

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