Verabredung "bei Mandela"

Verabredung "bei Mandela"
„Schmerz der Freiheit“ lautet die Überschrift der Ausstellung mit Werken von Jems Robert Koko Bi in der Marktkirche in Essen anlässlich der Kulturhauptstadt Ruhr 2010.
14.06.2010
nrw.evangelisch.de / kirche-essen.de

Blickfang ist ein 3,70 Meter hoher Portraitkopf von Nelson Mandela, der auf dem Platz vor der Marktkirche steht und schon vor der offiziellen Ausstellungseröffnung für Aufmerksamkeit sorgte. Aus 2.700 Holzklötzen hat der afrikanische Bildhauer Jems Robert Koko Bi den Portraitkopf von „Nelson Mandela“ zusammengesetzt und geformt. Aus Sicht des Künstlers steht Nelson Mandela stellvertretend für viele bekannte und auch weniger bekannte Freiheitskämpfer, die den Kampf gegen Apartheid und Unterdrückung führten und den „Schmerz der Freiheit“ in besonderer Weise erlebten.

Ergänzt wird die Skulptur im Innenraum der Marktkirche durch Werke, die Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Mutter Theresa zeigen. „Dadurch möchte ich denjenigen Respekt und Ehre erweisen, die sich für die Würde des Menschen, für den Abbau von einseitigen Machtverhältnissen, für Gerechtigkeit und ein selbstbestimmtes Leben einsetzen", sagt Koko Bi.

Ein besonders augenfälliges Symbol, das sich in mehreren der im Kirchraum gezeigten Arbeiten findet, sind Stühle. Die vierteilige Gruppe „Der Ball der Abgeordneten“ etwa führt einige Exemplare zum Tanz zusammen, sie wackeln, sind schräg geneigt oder stehen gar auf dem Kopf. „Amistad“ zeigt dagegen gebundene, gefangene Menschen, die auf der Sitzfläche stehen.

Stühle wie Machtbalancen

Stühle drücken für Koko Bi die Machtbalancen aus, die, ob in Südafrika oder in den westeuropäischen Gesellschaften, das Verhältnis zwischen den Mächtigen im Land und dem Volk prägen. Die Beine erinnern daran, dass das Volk die Gesellschaft und die Form des Zusammenlebens trägt, erläutert der Künstler. "Gleichzeitig kommt es natürlich darauf an, wer sich auf den Stuhl setzt: Viele der Mächtigen, die eigentlich die Interessen des Volkes vertreten sollten, werden bequem, sie vergessen, wem sie ihre Macht verdanken, und ‚unterdrücken’ buchstäblich die Rechte des Volkes. Die Lehne und die Kanten schließlich stehen für die Grenze zwischen der ‚Freiheit’ der Mächtigen, sich zu nehmen, was sie wollen – oder auch nicht –, und der Freiheit der anderen.“

Der afrikanische Bildhauer und Druckgraphiker Jems Robert Koko Bi wurde 1966 in Sinfra/ Elfenbeinküste geboren. Nach dem Studium der Spanischen Geschichte und Kunst in Abidjan erhielt er 1997 ein DAAD-Stipendium und wurde an der Kunstakademie Düsseldorf Meisterschüler bei Professor Klaus Rinke. Mittlerweile lebt er in Essen, hat Ausstellungen in ganz Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich und afrikanischen Ländern. 2005 erhielt Jems Robert Koko Bi den Kunstpreis, den die Evangelische Kirche in Essen anlässlich ihrer Reformationsveranstaltung zum Thema „Kunst und Glaube“ vergab.

Kunstkritiker bezeichnen Koko Bi gern als „Brückengänger zwischen den Kulturen“. Er selbst sagt: „Meine Kunst zeigt, was ich sehe und fühle. Meine Geschichte und meine Herkunft bleiben untrennbar mit mir verwoben.“ Gleichzeitig seien das Ruhrgebiet und Essen der Raum, "in dem ich lebe, in dem ich mein Gesicht und meine Geschichte zeige. Geschichte und Raum, meine Vergangenheit und mein gegenwärtiges Leben gehören zusammen, mit beiden muss ich mich versöhnen, wenn ich neue Kunst erschaffen will.“

Draußen nähern sich immer wieder Menschen, um die Skulptur Mandelas neugierig zu betrachten und die markanten Sprüche und Erläuterungen auf der gläsernen Ummantelung zu lesen. Die Fotoapparate der Kulturhauptstadt-Touristen klicken. „Ey, Mandela“, rufen sich drei Jugendliche zu. „Wir treffen uns in einer Stunde wieder, bei Mandela“, verabreden sich Freundinnen. Wie selbstverständlich hat das Abbild des südafrikanischen Präsidenten und Nobelpreisträgers, der einst als Kuhhirte aufwuchs und das rassistische Apartheids-Regime in eine gewaltlosere Zukunft führte, seinen Platz in der Essener Innenstadt eingenommen.

Dort wird er bis zum 19. September stehen, wenn die drei evangelischen Landeskirchen in Nordhrein-Westfalen an der Marktkirche das Ende der „Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt“ feiern und Gäste aus den weltweiten Partnergemeinden des Kirchenkreises hier über „Wege zu einer Kultur der Versöhnung“ diskutieren.

Die Ausstellung in der Marktkirche ist bis 22. Juli montags bis freitags von 10.30 bis 18 Uhr, samstags von 12 bis 18 Uhr sowie sonntags vor und nach den 18-Uhr-Gottesdiensten geöffnet. Der Eintritt ist frei. www.kirche-essen.de