Die Ehe aus evangelischer Sicht

Foto: epd-bild/Andrea Enderlein
Die Ehe aus evangelischer Sicht
Der Hintergrund zur Entscheidung der bayerischen Landessynode für offizielle Segnungen homosexueller Paare
In der Nacht auf Donnerstag hat die bayerische evangelische Landessynode bei ihrer Frühjahrstagung in Schwabach beschlossen, offizielle Segnungen homosexueller Paare zu ermöglichen.
19.04.2018
epd
Christiane Ried

Eine Arbeitsgruppe hatte dafür der Landessynode ihren Abschlussbericht zur Abstimmung vorgelegt. Darin schlug sie vor, dass solche Segnungen künftig möglich sein sollen - dass Pfarrerinnen und Pfarrer aber nach ihrem Gewissen entscheiden dürfen und nicht zu einer solchen Segnung gezwungen werden dürfen. Dem hat sich die Synode nach einer kontroversen Debatte angeschlossen. Bei ihrer Vorschlagsfindung hat die Arbeitsgruppe auch die "Ehe aus evangelischer Sicht" beleuchtet.

Im Abschlusstext der Arbeitsgruppe wird zu Beginn festgehalten, dass die Ehe aus evangelisch-lutherischer Sicht kein Sakrament ist - im Gegensatz übrigens zur katholischen Kirche. Martin Luther bezeichnete die Ehe einst als "weltlich Ding". Auch für den Augsburger Theologieprofessor Bernd Oberdorfer gehört die Ehe nicht in die Heilsordnung, sondern in die Schöpfungsordnung. Die Arbeitsgruppe führt daher an, dass der Staat den Schutz der Institution Ehe garantiere - und nicht die Kirche. Der kirchliche Traugottesdienst sei nach reformatorischem Verständnis ohnehin ein Segnungs- und Fürbittengottesdienst anlässlich einer weltlichen Eheschließung.

Martin Luthers Aussage bedeute zugleich eine "heilsame und realistische Relativierung der Idealisierung und Sakralisierung von Liebesbeziehungen", heißt es im Papier. Denn Ehen können auch scheitern. "Auch die Bibel weiß ja darum, dass Menschen Wesen sind, die sich selbst, einander und Gott nicht treu sind." Auch Liebesbeziehungen und andere Beziehungen seien allein auf Gottes Gnade angewiesen. "Dass Menschen zumindest ahnen, dass ihre Ehe auf Gottes Beistand angewiesen ist, zeigt ihr Wunsch, für ihre Ehe den Segen Gottes zu erbitten und sich diesen Segen in einer öffentlichen gottesdienstlichen Segenshandlung zusprechen zu lassen."

Die Arbeitsgruppe räumt aber auch ein, dass sich Martin Luther gewiss nicht hätte vorstellen können, dass sich homosexuelle Menschen einmal so sehr mit dem Eheverständnis identifizieren, dass sie sich kirchlich segnen lassen wollen. Jedoch befindet sich die bayerische evangelische Landeskirche 500 Jahre später genau in dieser Situation, betonen die Verfasser. Die Einführung der staatlichen "Ehe für alle" im vergangenen Jahr stelle die Kirche vor die Aufgabe, sich dazu zu verhalten. Wohlwissend, dass es innerhalb der Landeskirche unterschiedliche Beurteilungen homosexueller Partnerschaften gibt.

"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei"

Die einen stünden der homosexuellen Ehe positiv gegenüber und sähen sich als Anwalt ausgegrenzter Minderheiten, die - in diesem Fall - wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Andere stünden einer solchen Ehe ebenfalls offen gegenüber, weil sie die Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in der Lebensführung stärken wollen. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) habe sich in ihrer Stellungnahme vom Juni 2017 ähnlich geäußert. "Die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau wird dadurch keineswegs geschmälert. Im Gegenteil - sie wird noch einmal unterstrichen."

In einer anderen Gruppe wiederum sieht man die Gottesebenbildlichkeit des Menschen darin, dass er als "Beziehungswesen" existiert, über das Gott sagt:  (Genesis 2,18). Für sie macht es theologisch daher keinen Unterschied, ob Liebesbeziehungen mit dauerhafter, treuer und verlässlicher Bindung heterosexueller oder homosexueller Natur sind. Für sie zählt auch Jesu Aussage: "Liebt einander; denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht." (Kolosser 3,14). Öffentlichen Segnungen homosexueller Paare stehen also auch sie offen gegenüber.

Gegner der homosexuellen Ehe führen an, dass die Ehe zwar laut Luther ein "weltlich Ding" sei, dies aber nicht für Homosexuelle gelte, weil diese nur eine Partnerschaft eingehen können und keine Ehe, weil diese nur Mann und Frau vorbehalten sei. Allein die heterosexuelle Ehe entspreche der Ordnung von Gottes Schöpfung, homosexuelle Beziehungen dagegen entsprächen nicht seinem Willen. Unterstützung bekommen sie in der "Fürther Erklärung" von 1993, in der betont wird, dass die Kirche zwar an der Ausgrenzung Homosexueller schuldig geworden sei, dass öffentliche Segenshandlungen für homosexuelle Paare aber nicht möglich seien.

Gegner von Homosexualität begründen ihre ablehnende Haltung mit ethischen Äußerungen im Alten und Neuen Testament. So heißt es etwa, dass gleichgeschlechtlicher Verkehr "widernatürlich" sei (Römer 1,26) und eine Verirrung darstelle (1,27). Doch wie wörtlich solche biblischen Aussagen zu nehmen sind - daran scheiden sich die Geister. Die einen sehen die Bibel als Wort Gottes, das für jeden Christen - egal welcher Kultur - immer Gültigkeit hat. Die anderen wiederum lesen die Bibel historisch-kritisch und weisen darauf hin, dass man biblische Passagen in den jeweiligen Kontext stellen müsse.

(Quelle: Öffentliche Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare? Abschlusstext der Arbeitsgruppe des Landeskirchenrates und des Landessynodalausschusses)

Lesen Sie dazu auch das Interview mit Pfarrerin Silvia Jühne vom Lesbisch-Schwulen Konvent: "Auch eine heterosexuelle Beziehung ist nicht frei von Sünde"