„Esel mögen Dich so, wie du bist“

„Esel mögen Dich so, wie du bist“
„Carla, Huf!“ Die 14-jährige Steffi versucht schon zum dritten Mal, den Huf der Esel-Dame anzuheben und auszukratzen. Doch Carla macht gerade nicht mit. Sie trippelt ein wenig und bleibt dann einfach stehen. „Du musst ruhig bleiben, dann gibt sie dir den Huf von selbst“, kommt die Pädagogin und Therapeutin Sandra Thyke Steffi zu Hilfe. Und tatsächlich: Erst als Steffi ruhig und selbstbewusst das Kommando gibt, lässt Carla sich darauf ein.

Interaktion, Berührung, Versorgung – darum geht es in dem Projekt für Steffi und elf weitere Jugendliche von der Schule am Kupferhammer. Für die Verwirklichung haben sich drei Partner zusammengetan: Der Ev. Gemeindedienst im Johanneswerk, der die Schulsozialarbeit an der Förderschule trägt, hat das Projekt initiiert. Vom Verein Natursinn kommen Sandra Thyke und die Esel Carla und Pedro. Und die Stiftung mitLeidenschaft hat die Finanzierung übernommen.

Abwechselnd kommen die Schüler in Kleingruppen hier rauf in den Teutoburger Wald zu Carla und Pedro. Die Jugendlichen holen die beiden von der Weide, füttern sie, pflegen sie und machen kleine Ausflüge mit ihnen. „Am Anfang waren viele Schüler ängstlich“, so Sandra Thyke. „Inzwischen sind sie viel mutiger und selbstbewusster und lassen die Tiere richtig nah an sich heran.“

Die Esel spiegeln das Verhalten der Jugendlichen

Im Mittelpunkt des Projekts steht die Interaktion mit den Tieren. „Die Esel verhalten sich wie ein Spiegel – wenn man selbst schlecht gelaunt ist, sind sie genauso bockig“, erklärt die Schulsozialarbeiterin Ilka Heidbrink. Die Schüler erfahren hier, dass ihr Verhalten Auswirkungen auf andere hat: im Wald auf die Esel, im Alltag auf Freunde oder Eltern.

Beim Spaziergang durch den Wald wird schnell deutlich: Wichtig sind klare und eindeutige Ansagen und Signale. „Halt sagen und dabei selbst weitergehen funktioniert nicht“, betont Thyke. Zusätzlich braucht der Führende viel Geduld. Denn wenn ein Esel irritiert ist, bleibt er einfach stehen. Erst wenn er die Situation überschaut, geht es weiter. „Wir Menschen könnten uns eine Scheibe davon abschneiden“, schmunzelt die Pädagogin. „Stehen bleiben, durchatmen, weiterdenken.“

Die Jugendlichen werden hier oben spürbar entspannter

Zuwendung geben und Zuwendung zurückbekommen: Für die Schüler ist das nicht selbstverständlich. Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen und gelten als mehrfach benachteiligt. „Das Schöne ist: Esel mögen dich so, wie du bist. Sie urteilen nicht. Das tut jedem gut“, weiß Thyke. Mit ihrer unvoreingenommenen Akzeptanz erreichen die Esel auch die Jugendlichen, die sozial isoliert oder ängstlich sind.

Langsam beginnen die Schüler, auch auf kleine Kommunikationssignale zu achten. Was bedeuten aufgestellte Ohren, welche Auswirkung hat mein Tonfall? „Während der Zeit hier im Wald werden die Jugendlichen spürbar ruhiger und entspannter“, findet Ilka Heidbrink. Selbst die, die sich im Schulalltag nicht so gut verstehen, können hier gemeinsam einen Esel führen, sich wortlos verständigen und die Zeit genießen.

Auch für Steffi, die sich mit dem Hufeauskratzen schwer getan hat, nimmt der Nachmittag eine positive Wendung. Beim Spaziergang durch den Wald ist Carla sehr kooperativ. Das liegt jedoch nicht an Carlas Laune, sondern an Steffis klaren Kommandos und ihrem ausgeglichenen Verhalten. Sandra Thyke freut sich mit Steffi über den Erfolg: „Ich glaube, Carla hatte auch einen richtig schönen Nachmittag mit dir.“