Diakonie: Weniger Wege aus der Sucht

Diakonie: Weniger Wege aus der Sucht
Das Hilfsangebot für Suchtkranke ist in NRW gut ausgebaut. Die schwierige Finanzlage der Kommunen gefährdet aber diese Arbeit. Die Diakonie RWL befürchtet nun, dass präventive Angebote und Beratungsstellen zur Diskussion stehen.

„Wir haben in den letzten Jahren ein gutes System an Hilfen für Suchtkranke in Nordrhein-Westfalen aufgebaut, das aber durch Sparmaßnahmen an der Grenze der Leistungsfähigkeit steht“, erklärt Wolfgang Beine, Vorsitzender des evangelischen Fachverbandes Suchtkrankenhilfe Rheinland-Westfalen-Lippe.

Die Diakonie RWL ist mit rund 80 Beratungsstellen, 50 stationären Wohn-Einrichtungen und knapp 700 Selbsthilfegruppen einer der größten Anbieter von Hilfsangeboten für Suchtkranke in Nordrhein-Westfalen. Nun befürchtet die Diakonie RWL, dass im Zuge der kommunalen Finanzkrise besonders im Bereich der Vorbeugung und bei Beratungseinrichtungen gekürzt wird. Einzelne Städte wie Essen, Duisburg, Gütersloh und Remscheid planen, im Bereich der Suchthilfe Kürzungen vorzunehmen.

Die Kommunen sind gesetzlich dazu verpflichtet, vor Ort Angebote der Suchtkrankenhilfe bereit zu halten. Umfang und Ausstattung dieser Arbeit sind von Kommune zu Kommune aber sehr unterschiedlich. „Es fehlt an einheitlichen Standards. Und im Zuge der Sparmaßnahmen werden die Standards weiter gesenkt werden, bis es fachlich nicht mehr zu vertreten ist“, betont Ralph Seiler, Geschäftsbereichsleitung Soziales und Integration bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe.

Er sieht das Land in Verantwortung: „Das Land NRW hat mit der Kommunalisierung der Landesförderung 2007 die Arbeit auf die Kommunen abgewälzt, aber nicht für ausreichende finanzielle Ausstattung gesorgt und auch keine Mindeststandards festgelegt.“

Viele Einrichtungen der Diakonie sehen sich nicht mehr in der Lage, weitere Kürzungen durch Eigenmittel auszugleichen. Schon jetzt wird die Arbeit der evangelischen Suchtkrankenhilfe zu 20 Prozent aus Kirchensteuern und Spenden getragen. Die drohenden Sparmaßnahmen treffen die Arbeit besonders hart, weil in den letzten Jahren die Anforderungen gestiegen sind.

Die Einrichtungen mussten sich auf neue Krankheitsbilder und Themenfelder wie Computersucht, Sucht im Alter oder Sucht bei Menschen mit Behinderung einstellen. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach Hilfsangeboten, weiß Wolfgang Beine aus der Praxis zu berichten: „In wirtschaftlichen Krisenzeiten erhöht sich die Zahl der bedürftigen Menschen mit suchtbezogenen Problemen.“ Da falle es gerade jetzt besonders ins Gewicht, wenn Kürzungen vorgenommen werden. Kompensiert werden kann die erhöhte Anforderung auch nicht mehr durch Umorganisation oder Mehrleistung von Mitarbeitenden, die ohnehin seit vielen Jahren an der Belastungsgrenze arbeiten.

In Nordrhein-Westfalen gibt es nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) rund 4 Millionen Suchtkranke, darunter 2,9 Millionen Tabaksüchtige, 400 000 Alkoholabhängige, 300 000 Medikamentensüchtige. 31 000 Menschen konsumieren regelmäßig illegale Drogen, 30 000 gelten als Glücksspiel süchtig und 400 000 leiden unter krankhaften Ess-Störungen wie Magersucht. Die volkswirtschaftlichen Schäden durch Alkoholmissbrauch werden pro Jahr in NRW auf fünf Milliarden Euro und von tabakbedingten Krankheiten auf 3,5 Milliarden Euro geschätzt.

Das Hilfsangebot in Nordrhein-Westfalen ist umfangreich und gut vernetzt. Rund 200 Beratungsstellen, 80 niedrigschwellige Kontaktstellen, 86 stationäre Wohn-Einrichtungen, Suchtkliniken, Mediziner und 1500 Selbsthilfegruppen kooperieren eng miteinander. Gut 40 Prozent der Einrichtungen sind evangelisch und somit Teil der Diakonie RWL.