Die Bibel - geschenkt (6): Was man wirklich wissen muss

Die Bibel - geschenkt (6): Was man wirklich wissen muss
Zugegeben, die Bibel ist ein Buch, bei dem Vorwissen nicht schadet. Und die eine oder andere Erklärung. Sonst bleibt einem leider verborgen, was das Besondere an vielen Geschichten ist. Umgekehrt gilt natürlich auch: Fast die gesamte Kultur des christlichen Abendlandes lässt sich nur halb erschließen, wenn man nicht mit den wichtigsten Texten aus dem Alten und Neuen Testament vertraut ist.
06.04.2010
Von Ingo Schütz

Der Anspruch von Christian Nürnberger - Ex-Redakteur der "Frankfurter Rundschau", Autor mehrerer Bücher und verheiratet mit der TV-Moderatorin Petra Gerster - ist kein geringerer als der: Zentrale Geschichten neu zu erzählen und zu erklären, "worin die revolutionäre Botschaft des biblischen Geschehens liegt", so der Klappentext.

Das Anliegen ist verständlich und berechtigt. Die Umsetzung ist es meistens auch. So wird gleich zu Beginn von "Die Bibel – Was man wirklich wissen muss" die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments in Zusammenhang mit anderen vorderorientalischen Mythen gebracht. Der Clou des Bibeltextes erschließt sich von daher in ungeahnter Weise.

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Im babylonischen Schöpfungsgedicht "Enuma elisch" geht noch darum, dass Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne Götter seien, die sich für den Menschen nicht interessieren – allenfalls als Sklave taugt er etwas. Nicht anders lesen sich die griechische und die römische Mythologie. Immer handeln sie von "Sex and Crime" unter den Göttergestalten.

Love-Story zwischen Gott und Menschen

Wenn die Bibel einsetzt und erklärt, Gott habe Himmel und Erde gemacht, dann ist das vor diesem Hintergrund tatsächlich eine Revolution: Sonne, Mond und Sterne sind keine eigenen Gottheiten mehr, die sich gegenseitig bekriegen können. Sie sind degradiert zu Funzeln am Firmament, die auf Gottes Geheiß dem Menschen zu leuchten haben.

Geradezu als "Liebesgeschichte" zwischen Gott und Mensch entspinnt sich vom ersten Kapitel an das, was in der Bibel erzählt wird, schreibt Nürnberger. Was müssen das für Umstürzler gewesen sein, die solche Texte verfassten! Diese völlig andere Sicht auf Gott und den Menschen habe ein "neues Zeitalter" eingeläutet, "der neue Herr im Himmel ist kein Despot mehr, sondern einer, der sich um sein Volk kümmert". Hätte man das geahnt, ohne die Hintergründe der Schöpfungsgeschichte erläutert zu bekommen?

Den Predigern empfohlen

Neben dem Thema Schöpfung setzt Nürnberger sich mit dem Urvater des Glaubens Abraham auseinander, mit dem Exodus, Auszug der Israeliten aus Ägypten, mit dem "Radikalen im öffentlichen Dienst" Jesus und mit der Kirche als "Gottes unerfüllter Hoffnung".

Die Erklärungen der biblischen Geschichten sind klug, tief- und feinsinnig. Und sie entsprechen weitgehend dem Stand akademischer Theologie. Allerdings sind sie leichtgängiger formuliert. Mitunter würde man sich freuen, die hier vorgetragenen Interpretationen auch Sonntags von der Kanzel zu hören.

Hinter den Kulissen der Bibel

Interessierte Jugendliche werden ihren Spaß an diesem Buch haben, wenn es ihnen Freude bereitet, hinter die Kulissen der Bibel zu schauen. Es macht vieles verständlich, was man bis zur Konfirmation nicht begriffen haben dürfte, und regt zur (erneuten) Bibellektüre an – diesmal mit einem tieferen Verständnis.

An einigen Stellen allerdings hätte sich der Autor mit seiner eigenen Meinung etwas zurückhalten sollen. Gerade im letzten Kapitel über die Kirche lästert Nürnberger mit Herzenslust über die Gefahren in der Moderne. Zweifelsohne sind "Fundamentalismus" und "Kirche als Verkaufsshow" kritische Entwicklungen im Bereich des Christlichen, aber gleich jede "neue Gottesdienstform" mit letzterem zu identifizieren, geht doch zu weit.

Kraftausdrücke

Er verurteilt das Modernisierungsstreben der Institution Kirche und rät zur Besinnung auf "Umkehr, Buße, Exodus" als die "spezifische Lösung des Volkes Gottes für die Probleme jeder Zeit" – ohne zu sagen, wie die Lösung denn nun konkret aussehen mag. Am Ende leistet er sich sogar den Fauxpas, die Versuche der kirchlichen Neugestaltung mit dem Label "Kraft durch Freude" in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken.

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Dieser Schluss nimmt dem schönen Buch etwas von seiner Kraft. Überliest man ihn geflissentlich, so bleibt es ein absolut empfehlenswertes Werk. Es ist gelehrt und dennoch leicht geschrieben, eröffnet der biblischen Botschaft durch Hintergrundinformationen neues Verständnis und besticht durch die Leidenschaft, das revolutionäre Potenzial der Botschaft vom menschenliebenden Gott aufzudecken.

Fazit

Geeignet ist das in einem lockeren Druckbild erscheinende, 200 gut lesbare Seiten starke Buch für Menschen, die Spaß am Erforschen und Hinterfragen haben und die auch das eine oder andere Fremdwort nicht die Freude am Lesen verleidet.


Bewertung

 

       Originalität   

       Lesbarkeit    

       Cool-Faktor  

       Handgepäck 

       Grafik          

       Inhalt            

 

Bestellinformationen

Christian Nürnberger: "Die Bibel. Was man wirklich wissen muss"

Verlag: rororo (1. November 2006)

ISBN: 3499620685

224 Seiten

Preis: 8,90 Euro

 


Ingo Schütz ist Diplom-Theologe und angehender Pfarrer.