Fachmann: Melanchthon ist Vorbild für Ökumene

Fachmann: Melanchthon ist Vorbild für Ökumene
Vor 450 Jahren starb Philipp Melanchthon (1497-1560). Die Fähigkeit des Reformators und Luther-Gefährten zu Ausgleich und Versöhnung könnte nach Expertenansicht dem ins Stocken geratenen ökumenischen Prozess gut tun.

Der Direktor der Europäischen Melanchthon-Akademie im badischen Bretten, Günter Frank, würdigt die Bedeutung des Reformators für das europäische Geistesleben und die Ökumene. Der Weggefährte Martin Luthers habe die Bildungsvorstellungen und -institutionen in Europa durch seinen humanistischen Geist der Toleranz geprägt, sagte Frank am Donnerstag im badischen Bretten dem Evangelischen Pressedienst (epd). Anlass ist das Melanchthonjahr der evangelischen Kirche. Damit wird an den 450. Todestag des Universalgelehrten erinnert, der am 19. April 1560 in Wittenberg starb.

Für den ins Stocken geratenen ökumenischen Prozess könne die Fähigkeit Melanchthons zum Ausgleich und zur Versöhnung vorbildlich sein, fügte Frank hinzu. In den vergangenen Jahren sei die Bedeutung Melanchthons in der Forschung wiederentdeckt worden, sagte der Theologe, der auch Kustos der Reformationsgedenkstätte Melanchthonhaus in Bretten ist. Der Verfasser wichtiger protestantischer Bekenntnisschriften wie dem Augsburger Bekenntnis ("Confessio Augustana", 1530) und der "Loci Communes" (1521) trete immer mehr aus dem Schatten des übermächtigen Luther heraus.

Noch zu wenig beachtet

Unverständlich sei es, dass Melanchthon als einer der wichtigsten Vordenker des Protestantismus in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) immer noch zu wenig beachtet werde. Angesichts einer "starken Luther-Renaissance" werde das Werk Melanchthons weitgehend ausgeblendet, sagte der Theologe und Philosoph Frank. In der katholischen Kirche werde der Reformator schon länger als ein Vermittler zwischen den christlichen Konfessionen überaus positiv bewertet. Melanchthon sei die Einheit der christlichen Kirche ein Herzensanliegen gewesen.

Melanchthon, der in Bretten bei Karlsruhe geboren wurde und in Wittenberg lehrte, sei als "Praeceptor Germaniae" (Lehrer Deutschlands) eine Geistesgröße von europäischem Rang gewesen, sagte Frank. Der engste Mitarbeiter an Luthers deutschsprachiger Bibelübersetzung habe wichtige Anstöße für die Reform des Schul- und Universitätswesens seiner Zeit gegeben. Für die Ökumene könne Melanchthons Blick auf die verbindenden Traditionen der Kirche hilfreich sein. Protestanten und Katholiken könnten durch die Besinnung auf ihr 1.500 Jahre altes gemeinsames Erbe die Kirche zukunftsfähig machen.

Impulse für das Bildungswesen

Auch für die Entwicklung des Bildungswesens in Europa könne Melanchthon noch immer wertvolle Impulse geben, sagte Frank. Melanchthon habe sich für einen breiten Zugang aller Gesellschaftsschichten zu Bildungseinrichtungen eingesetzt. Gegen den Bologna-Reformprozess zur Errichtung eines europäischen Hochschulraumes hätte Melanchthon entschieden protestiert, sagte Frank. Statt eine "Nivellierung der Hochschullandschaft" in Studiengängen und - abschlüssen anzustreben, hätte der Reformator die unterschiedlichen Profile der Universitäten als Bereicherung verteidigt.

epd