Münchner Wiedersehen mit der Mutter

Münchner Wiedersehen mit der Mutter
Kirchlich, grün & engagiert: Friedrich Göring, Sohn von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, leistet im Vorbereitungsteam des Ökumenischen Kirchentags (ÖKT) seinen Zivildienst ab. Während seine Mutter im ÖKT-Präsidium über die großen Leitlinien entscheidet, ist der 20-Jährige an der täglichen Vorbereitungsarbeit für das große Christentreffen beteiligt. Eine Begegnung.
12.03.2010
Von Bernd Buchner

Vor ein paar Tagen in München, in den ehrwürdigen Hallen der Bayerischen Staatsbibliothek: Der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) stellt sein lange erwartetes Programm vor. Am Stand vor dem Saal begrüßt Friedrich Göring mit einem offenen Lächeln die Journalisten, reicht ihnen Teilnehmerlisten und Presseunterlagen. Doch die wenigsten wissen, dass der 20-Jährige eine bekannte Mutter hat: Katrin Göring-Eckardt, grüne Bundestagsvizepräsidentin und zudem Synodenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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Friedrich leistet seinen neunmonatigen Zivildienst beim Kirchentag. Während die Mutter als Mitglied im ÖKT-Präsidium die großen Themen und Leitlinien mitbeschließt, ist der Sohn hautnah an der täglichen Vorbereitungsarbeit des Christentreffens beteiligt, zu dem vom 12. bis 16. Mai weit mehr als 100.000 Besucher in der bayerischen Landeshauptstadt erwartet werden. In der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit geht er der zuständigen Referentin Annika Böhm zur Hand, entwirft Einladungsflyer, bereitet Infomaterial und Pressekonferenzen vor.

Ein mütterlicher Tipp

Warum Zivildienst statt Bundeswehr? "Mein Vater ist Pfarrer, und seit ich 13 bin, bin ich bei der Grünen Jugend", erzählt Friedrich, der im Mai vergangenen Jahres sein Abitur machte. Das Elternhaus prägte ihn. "Deswegen war für mich klar, dass ich verweigere." Lange aber überlegte er, wo er als Zivi arbeiten will. Schon im Sommer 2008 half Friedrich in einer Behinderteneinrichtung in England aus. Dass es dann doch statt Altersheim oder Rotes Kreuz der Ökumenische Kirchentag wurde, hatte er einem Tipp seiner Mutter zu verdanken.

Zehn junge Männer bewarben sich um die Zivistellen beim ÖKT – Friedrich Göring zählte zu den sechs Glücklichen, die nach den Bewerbungsgesprächen genommen wurden und am 1. Oktober vergangenen Jahres anfangen durften. Sie arbeiten etwa im Teilnehmerservice, im Kirchentagsshop oder in der Technikabteilung. Dass sich der junge Thüringer mit der ausgesprochen musischen Ader – er ist ein begabter Fagottist, wie sein Internetauftritt zeigt (von dort stammt auch das Foto rechts) – für die Pressearbeit entschied, hatte perspektivische Gründe: Er tendiert auch beruflich in diese Richtung.

WG in München-Pasing

Aber so weit ist es noch nicht. Erst einmal bewohnt Friedrich mit seinen fünf Kollegen die bunte Zivi-WG des Kirchentages in München-Pasing. Viel Platz ist dort nicht, es gibt Zweierzimmer. Von zu Hause weg zu sein, ist für den jungen, bedächtig wirkenden Mann nichts Neues: Schon mit siebzehneinhalb ist er vom heimischen Ingersleben, einem 1.000-Seelen-Ort in der Nähe von Erfurt, nach Weimar gezogen, um dort die Waldorfschule zu besuchen. In der Klassikerstadt ist Friedrich übrigens auch geboren – Anfang September 1989, mitten in der Wendezeit.

"Ich finde das spannend, es macht riesigen Spaß", sagt der 20-Jährige über seine Tätigkeit in der Münchner Kirchentagsgeschäftsstelle. Jeden Morgen gegen halb neun geht es los, die mittlerweile rund 90 Mitarbeiter trudeln ein. Friedrich beginnt den Tag mit einem Blick auf die eingelaufenen E-Mails, dann gilt es Post zu verschicken, Telefonate zu führen, Absprachen mit Grafikern zu treffen, Pressemappen vorzubereiten. Die Tage können lang werden, obwohl es für Zivildienstleistende klare Beschränkungen gibt: "Ich darf sieben komma sieben Stunden pro Tag arbeiten."

"Ich bin keiner, der das sofort sagt"

Sohn einer in Kirche und Politik bekannten Persönlichkeit zu sein, das sieht Friedrich eher nüchtern: "Ich bin keiner, der das sofort sagt." Beim ÖKT seien manche erstaunt gewesen, doch "ich wurde nie schlechter oder besser behandelt deswegen". Eine gewisse äußere Ähnlichkeit mit Katrin Göring-Eckardt kann der junge Mann nicht von der Hand weisen. Wichtig findet er den Rückhalt durch die Familie, zu der auch sein heute 18-jähriger Bruder Johannes zählt. "Ich hatte immer meine Eltern als Vorbild."

Selbstbewusst reagiert Friedrich auch auf die Tatsache, dass die Medien zuweilen ein anderes Bild seiner Mutter vermitteln, als er es selbst wahrnimmt. "Ich kenne das nicht anders." Seit 1998, da war er gerade acht, sitzt Katrin Göring-Eckardt (Foto: epd / Norbert Neetz) im Bundestag. Sie ist keine grüne Reizfigur wie einst Joschka Fischer - doch in der Presse wird sie schon mal als "Öko-Predigerin" tituliert oder zur Leitfigur einer schwarz-grünen Annäherung stilisiert. Im vergangenen Jahr war sie sogar kurzzeitig als Kandidatin für das Ministerpräsidentenamt in Thüringen im Gespräch.

Politische Dinge spielen im Ingerslebener Pfarrhaus eine große Rolle. "Wir behandeln das oft am Küchentisch", berichtet der 20-Jährige. Die politische und religiöse Prägung durch das Elternhaus merkt man dem jungen Zivildienstleistenden deutlich an. Voriges Jahr kandidierte er für die Grünen bei der Landtagswahl in Thüringen, erreichte in seinem Wahlkreis immerhin 4,9 Prozent. Und der Glaube ist dem Pfarrerskind von Kindesbeinen an vertraut. "Im Gottesdienst war ich mit meinem Bruder immer der Jüngste", erinnert sich Friedrich – das Thema Kirche und Jugend interessiert ihn auch beim ÖKT, gerade hat er fast im Alleingang einen Flyer für das Jugendprogramm des Treffens im Münchner Olympiazentrum gestaltet.

Keine Zeit für Heimweh

Wertvolle Erfahrungen sammelt Friedrich also in der Vorbereitung des Kirchentags, da bleibt für Heimweh keine Zeit. "Meine Mutter ist ja öfter in München", sagt er trocken – und Katrin Göring-Eckardt kann bei ihren Besuchen die steigende Spannung im Vorbereitungsteam miterleben. "In der Geschäftsstelle geht das immer so in Wellen", berichtet ihr Sohn. "Das macht totalen Spaß, alle fiebern dem entgegen." Mit der Fertigstellung des Programmhefts ist eine "Stressphase" zu Ende gegangen: "Jetzt sieht man, was es werden wird."

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Nur noch zwei Monate sind es bis zu dem großen Christentreffen – Friedrich wird während der Tage von München im Pressezentrum auf dem Messegelände zu finden sein. "Ich werde sehr viel mitbekommen, aber andererseits finde ich es schade, dass ich bei manchen Veranstaltungen nicht dabei sein kann." Das ÖKT-Jugendprogramm, das ihm sehr am Herzen liegt, kann er wohl nur selten erleben. Was sollen die Besucher, ob jung oder alt, vom Kirchentag mitnehmen? "Ganz viel Inspiration und Kraft", wünscht sich der Helfer – gerade für die Gemeindearbeit.

Und in Zukunft? Vielleicht Geschichte

Über den Tag nach dem Ökumenischen Kirchentag kann sich das vielköpfige Vorbereitungsteam gegenwärtig noch nicht viele Gedanken machen. Die Zeit ab 16. Mai sei "zum Abarbeiten und Aufräumen" da, so Friedrich, dessen Zivildienstzeit Ende Juni ausläuft. Danach ruft wohl die Universität. "Ich werde studieren, aber ich weiß noch nicht genau was." Etwas mit Geschichte, seinem Leistungskursfach in der Schule, wird es wohl sein. "Den Pfarrerberuf kann ich mir nicht vorstellen", sagt der Theologensohn lächelnd. Aber auch sein Vater sei ein "heimlicher Historiker".


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die  Ressorts Politik und Religion.