Aus dem Maschinenraum (17): Kaufempfehlungen

Aus dem Maschinenraum (17): Kaufempfehlungen
Viele Internetnutzer verlassen sich auf Kaufempfehlungen oder Bewertungen anderer User, wenn sie ein neues Produkt kaufen wollen. Doch diese Empfehlungen sind manchmal mit Vorsicht zu genießen, wie unser Kolumnist Michael Stein weiß.
22.01.2010
Von Michael Stein

Neulich ging unsere kleine Küchenmaschine kaputt – plötzlich und ohne Vorwarnung. Zu reparieren war da leider nichts mehr. Da der kleine Küchenhelfer im Laufe der Jahre nahezu unverzichtbar geworden ist, habe ich mich im Internet nach einem ähnlichen Modell umgesehen. Schnell wurde ich bei einem großen Online-Kaufhaus fündig. Derselbe Hersteller, ein überarbeitetes Design – aber im Prinzip noch die gleiche Maschine.

Natürlich habe ich mir vor der Bestellung nicht nur die Produktbeschreibung des Anbieters durchgelesen, sondern auch einen Blick auf die zahlreichen Bewertungen von Käufern des kleinen Maschinchens geworfen. "Nur zu empfehlen", "Dauerläufer" oder auch "Klasse Küchenhelfer" war da zu lesen, und die glücklichen Besitzer waren des Lobes voll. Ich wollte schon auf "In den Warenkorb legen" klicken, da musste ich daran denken, was kürzlich über die Glaubwürdigkeit solcher Bewertungen ans Tageslicht kam.

Gekaufte Meinung

Die Online-Tochter der Süddeutschen Zeitung (SZ) hatte nämlich vor einiger Zeit ein Programm fürs iPhone veröffentlicht. Dass die kleine App ein Erfolg werden sollte, das wollte man aber offenbar lieber nicht dem Zufall überlassen. Und so hatten Mitarbeiter des Verlages eine Firma damit beauftragt, für möglichst viele Bewertungen der App im "App Store" zu sorgen. Dabei allerdings muss es wohl "Missverständnisse" zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gegeben haben. Die Firma beauftragte nämlich offenbar Blogger damit, möglichst viele und möglichst positive Bewertungen über das kleine Programm im App Store zu platzieren. Erst als die, nun ja, eigenartige Geschäftsbeziehung zwischen SZ und der Firma bekannt wurde und Image-Schäden drohten, wurde die Kampagne gestoppt.

Die Firma, um die es dabei geht, bietet "Social Media Marketing" an. Wer bei dieser ziemlich schief gegangenen Markteinführung eines neuen Programms nun wen mit genau was beauftragt hat, das finde ich gar nicht mehr so interessant. Ich fand beim Lesen der Stellungnahmen, Beteuerungen und Entschuldigungsversuche eigentlich nur eines interessant: Die Tatsache, dass es überhaupt Firmen gibt, die derartige "Marketing"-Dienstleistungen anbieten. Und dass es Menschen gibt, die sich dafür hergeben.

Vielleicht war ich bisher auch zu blauäugig, aber ich hatte Bewertungsportale und die Käufer-Kommentare bei Online-Händlern bisher eigentlich immer ganz gerne gelesen. Dass da mitunter vielleicht mal getrickst wird, das war mir schon klar. Dass das aber offenbar mittlerweile in derartig großem Stil passiert, und dass es Dienstleister und "Blogger" gibt, die mit solchen Diensten Geld verdienen, das hat mich dann doch ziemlich verwundert.

Virtuelle Wirklichkeit

Eines hat dieser kleine "Skandal" aber auf jeden Fall noch einmal sehr deutlich gemacht: Im Internet kann und sollte man niemandem und nichts vertrauen. Wer sich im Internet bewegt, muss dabei ständig auf der Hut sein. Denn er muss damit rechnen, im Netz auf ganz andere Art manipuliert, beeinflusst und oft auch betrogen zu werden, als er das aus dem "echten" Leben kennt. Wer das Netz intensiv nutzt, der kommt deshalb nicht umhin, sich auch mit dem Medium selber zu beschäftigen, um die neusten Tricksereien und Maschen kennen zu lernen. Denn im Internet ist im Laufe der Jahre eine ganz eigene Wirklichkeit entstanden.

Wenn man einem Menschen gegenüber steht oder ein Ladengeschäft betritt, dann kann man auch auf sein Gefühl, seine Intuition, auf seinen gesunden Menschenverstand hören, um eine Entscheidung zu treffen. Man kann einem anderen Menschen ins Gesicht sehen, man kann sich über die Seriosität eines Geschäfts einen eigenen Eindruck verschaffen, indem man sich darin umsieht. Klar, man kann sich dabei irren. Aber im Internet funktioniert das alles nicht. Ob ein Internet-Shop seriös, ob jemand tatsächlich der ist, für den er sich ausgibt, und ob ein Mensch lügt oder die Wahrheit sagt, das kann man am Bildschirm nicht beurteilen.

Die kleine Küchenmaschine haben wir übrigens trotzdem gekauft, denn ein echtes Risiko bestand nicht. Schließlich gilt ja für Käufe im Internet ein Rückgaberecht, das es im stationären Handel so nicht gibt. Innerhalb von 14 Tagen kann man online gekaufte Waren ohne Angabe von Gründen zurückgeben. Das kleine Maschinchen funktioniert aber tatsächlich so gut, wie die Bewerter es behauptet haben.


Über den Autor:

Michael Stein (Konfirmation 1976) arbeitet seit 1986 als Wissenschaftsjournalist mit Schwerpunkt Technik für Radio, Fernsehen, Print- und Online-Medien. Parallel zum Beruf studiert er seit 2004 in Wuppertal und Bochum Evangelische Theologie, um irgendwann einmal Journalist und Pfarrer zu sein. Für evangelisch.de schreibt er in seiner Kolumne "Maschinenraum" jede Woche über Technik, was wir mit ihr machen -und was sie mit uns macht.