"Madame Butterfly": Wenn sich eine Frau in Liebe verrennt

"Madame Butterfly": Wenn sich eine Frau in Liebe verrennt
Katharina Wagner inszeniert in Mainz Puccinis "Madame Butterfly" - ein Ereignis. Doch die Deutung der Urenkelin Richard Wagners verliert sich in Beliebigkeit. Allein die Musik überzeugt. Und die Geschichte sowieso.
17.01.2010
Von Bernd Buchner

Tieftraurige, ja herzzerreißende Geschichten sind der Oper nicht fern. "Madame Butterfly" von Giacomo Puccini (1858-1924) bildet da keine Ausnahme. Eine japanische Geisha verrennt sich in die Liebe zu einem US-amerikanischen Soldaten, der nur auf ein Abenteuer aus ist, am Ende nimmt er ihr das gemeinsame Kind und die Verlassene geht den Weg ihres Vaters, der einst vom Tenno gezwungen wurde, sich den Dolch zu geben. Auf der Bühne muss sich Cio-Cio San, so ihr eigentlicher Name, nicht einmal töten, um nicht mehr zu leben.

Wenn Katharina Wagner, Urenkelin des Bayreuther Meisters, diese Oper inszeniert wie jüngst am Mainzer Staatstheater, so finden sich sofort Anknüpfungspunkte zwischen den beiden Komponisten – Puccinis Zwischenspiel zum dritten Akt klingt höchst wagnerianisch, die "Götterdämmerung" hallt durch, auch an anderen Stellen verbirgt der Italiener seine Wagner-Affinität nicht. Freilich bricht er andererseits die musikalischen Konventionen seiner Zeit mit süffigem, vermeintlich asiatischem Kolorit. Diese Modernismen führten zu der Mailänder Skandalpremiere von 1904.

Anfangs matt und spannungsarm

Heute gehört Puccini zu den modernen Klassikern, seine Musik wird überaus geschätzt. Die Mainzer Generalmusikdirektorin Catherine Rückwarth setzt die "Madame" anfangs matt und spannungsarm ins Werk, kann das Philharmonische Staatsorchester dann aber deutlich steigern. Gerade die häufigen, nicht ganz leichten Tempiwechsel bewältigen Dirigentin und Musiker exzellent, die Lyrik und die Dramatik der Partitur werden deutlich herausgearbeitet – auch wenn das Orchester zuweilen zu überschwänglich gelenkt wird, was den Sängern stellenweise deutlich zu schaffen macht.

Deren Leistungen sind durchaus gemischt. Die US-Amerikanerin Abbie Furmansky überzeugt in der Titelrolle mit einem leuchtenden, in Höhen und Tiefen angenehm ausgewogenen Sopran. Patricia Roach steht ihr als Zofe Suzuki samt schauspielerischer Klasse in keiner Weise nach. Sparsam mit seinen Qualitäten geht hingegen der Mexikaner Sergio Blazquez als Pinkerton um, der stellenweise viel zu leise agiert und seine Kräfte unklug einteilt. Vollends überzeugen können hingegen Alexander Kröner als Heiratsvermittler Goro sowie Patrick Pobeschin als Konsul Sharpless.

Ein korrumpierter Fremder

Das lässt sich von der Inszenierung nicht sagen. Katharina Wagner stellt den Konflikt Cio-Cio Sans mit Goro, der hier als Gaukler und Magier erscheint, in den Mittelpunkt, für Pinkerton bleibt die Rolle des nur durch ein paar Annehmlichkeiten korrumpierten Fremden. Er bewegt sich etwas täppisch durch die Szenerie (Bühnenbild und Licht: Monika Gora), die im ersten Akt von sich drehenden weißen Plattformen geprägt ist. Später werden sie im Hintergrund aufeinander gestapelt und bilden Landschaften der Erinnerung, wie es scheint.

Die Darstellung bleibt derweil im jung-wagneresken Rahmen. Bei Katharina schmiert immer jemand etwas mit Farbe an die Wand, ständig stehen ein paar leere Flaschen herum, und ohne Plastikbusen geht es einfach nicht ab. Es gibt kein Feuer in dieser "Madame Butterfly", keinen Bildersturm, aber es ist auch nicht so bieder, dass man sich von Herzen amüsieren könnte. Die Dame badet gerne lau, würde Herbert Wehner sagen. Und angesichts der herzzerreißenden Geschichte ist es schade, dass sie überhaupt ins Wasser gestiegen ist.


Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de mit den Ressorts Religion und Umwelt.