Knast-Festessen: 300 Gramm Ente und 125 Gramm Dessert

Knast-Festessen: 300 Gramm Ente und 125 Gramm Dessert
In der Küche werden die Messer gezählt und nach der Arbeit weggeschlossen. "Feierabend gibt es erst, wenn nichts fehlt", heißt die eiserne Regel in Berlins größter Knast-Küche. Im Männergefängnis Plötzensee wird nicht nur für Gefangene gekocht und gebraten sondern auch von ihnen. Mehr als 30 Küchenhelfer sind Straftäter - vom notorischen Schwarzfahrer bis zum Mörder, manche können weder lesen noch schreiben.
21.12.2009
Von Jutta Schütz

Überall gibt es Alarmknöpfe, die Türen sind gesichert. Einen Ausbruch habe es hier noch nicht gegeben, auch keine Drogen, versichert der Küchenchef hinter Gittern, Willi Schniggenfittig. Der 49-Jährige gibt sich gelassen. Rund 1.800 Mittagessen müssen auf den Punkt fertig sein - auch wenn sich Helfer mal wieder krank melden und unklar ist, wie das alles zu schaffen ist. Die Küche, in der eine Bratpfanne noch aus dem Jahr 1978 stammt, versorgt mehrere Gefängnisse, die Jugendstrafanstalt und das Haftkrankenhaus.

Wunschessen und Knast

Maximaler Lebensmittel-Einsatz pro Tag und Nase: 3,35 Euro aus der Staatskasse. Selbst die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zitierte schwäbische Hausfrau hätte wohl Mühe, damit auszukommen. "Durch Großeinkäufe und Sonderposten bekommen wir andere Preise als im Supermarkt, doch das tägliche Jonglieren bleibt", sagt Schniggenfittig. Wie seine acht Kollegen ist er nicht nur Koch, sondern auch ausgebildeter Justizbediensteter.

Von "Fraß" für Gefangene, wie es der Schriftsteller Hans Fallada in seinem Roman "Wer einmal aus dem Blechnapf frisst" beschrieb, kann wohl keine Rede sein, auch wenn Wunschessen und Knast nicht ganz zusammenpassen. Auf dem "Speiseplanrapport" stehen aber die "Kostformen": normal, leichte Vollkost, salz- oder fleischlos, Moslem- und Reduktionsessen. Hinzu kommt ärztlich verordnete Kost. Pro Tag landen hier fast eine Tonne Kartoffeln, acht Zentner Gemüse und 280 Kilo Fleisch in Töpfen und Pfannen. Gemüsebratlinge für Vegetarier gibt es ebenso wie Kalbsschnitzel. Der Gefängnisbeirat kann bei den Speiseplänen mitreden.

Heiß begehrt: Ein Job in der Gefängnisküche

"Die Zeit vergeht hier schneller als in der Zelle. Und ich kann meine Geldstrafe abarbeiten, 500 Euro hab ich schon zusammen", sagt der 49 Jahre alte Küchenhelfer René. Er ist für 260 Tage im Knast, weil er eine Geldstrafe nicht gezahlt hat. Der Gefängnisjob passe: Er sei schließlich Koch. René hat sich auf Lohnstufe IV hochgearbeitet - etwa 14 Euro pro Tag. Ein Teil davon muss auf einem Konto für die erste Zeit in Freiheit angespart werden, mit dem Rest können Kaffee oder zusätzliche Lebensmittel bestellt werden.

Der 24-jährige Kroate mit Babylächeln und weißer Küchenmütze sitzt wegen Widerstandes gegen Polizisten. Er hofft, dass er seine Erfahrungen bei der Fleischzubereitung später nutzen kann. Die 38 Küchenhelfer-Stellen sind ziemlich begehrt, die Gefangenen können sich dafür bewerben. Geldverdienen sei ein Motiv.

"Unsere Aufgabe ist nicht nur das Kochen. Wir beaufsichtigen und betreuen auch", sagt Koch Torsten Brenner, seit zehn Jahren in Plötzensee. Es gehe geregelt zu - jeden Tag ab 6 Uhr morgens. Das sei ein Vorteil. Doch die Köche lassen auch Nerven. Helfer aus Polen oder Russland verstehen anfangs nicht, was sie machen sollen. Manchmal reicht ein schiefer Blick unter den Gefangenen und ein Streit bricht aus. "Ich bin ein geduldiger Mensch", sagt Küchenchef Schniggenfittig, seit 20 Jahren Gefängnis-Koch. "Doch bei Prügelei und Diebstahl fliegen alle Beteiligten."

Gegessen wird alleine

Doch wenn es nach mühsamem Anlernen läuft, sei es auch schon wieder vorbei, berichten die Köche über ihr Dauerproblem. Allein durch die Weihnachtsamnestie fehlten von einem Tag auf den anderen mehrere Helfer, dazu kommen zwei dauerkranke Köche.

Auch wenn das Essen für die Haftanstalten verpackt und verladen wird, stehe immer ein Beamter daneben. Dass sich ein Insasse unter einen Transporter hängt und so flüchtet, so wie vor einigen Monaten im Frauengefängnis Lichtenberg, halten die Beamten hier für wenig wahrscheinlich. Immer wieder gibt es auch Kontrollen, ob jemand Käse oder Wurst mitgehen lässt. Frühstück und Abendessen werden mit dem Mittagessen ausgefahren, die Gefangenen haben dafür Kühlfächer. Die Kistenstapel werden bis ganz nach unten überprüft.

Viele Häftlinge werden am ersten Weihnachtsfeiertag mit ihrem Essen allein in der Zelle sein. Als Festessen wird es Entenkeule (300 Gramm), Rotkohl (250 Gramm), zwei Klöße und 125 Gramm Dessert geben.

dpa