Aktivisten übergeben Forderungen - "Wir haben genug geredet"

Aktivisten übergeben Forderungen - "Wir haben genug geredet"
Zur Halbzeit der internationalen Klimakonferenz sind in Kopenhagen und anderen Städten der Welt Zehntausende für ein weitreichendes Abkommen zum Klimaschutz auf die Straße gegangen. "Genug über das Klima geredet - jetzt müssen Taten folgen!" forderten Klimaschützer am Samstag weltweit. Zugleich müsse es schnelle Hilfe für arme Länder geben, damit diese ihren Beitrag zum Kampf gegen die Erderwärmung auch bezahlen können. Die Zahl der Teilnehmer bei der Veranstaltung in Kopenhagen lag nach unterschiedlichen Angaben zwischen 50.000 und 100.000.

Auf der Demonstrantion schlugen die Redner trotz Volksfeststimmung ernste Töne an: "Wie lange wollen die Staatsführer noch zulassen, dass Menschen bei uns durch den Klimawandel sterben?", rief zornig die Sängerin Angelique Kidjou aus dem westafrikanischen Benin. "Wir haben als Menschheit der Natur auf unserem Planeten eine zu große Last aufgebürdet. Jetzt müssen wir gemeinsam sehr schnell Verantwortung übernehmen", sagte die Dänin Helena Christensen. Das jetzt als Fotografin tätige Ex-Supermodel verlangte von US-Präsident Barack Obama weiterreichende Zusagen für den Klimaschutz, wenn er Ende nächster Woche persönlich in Kopenhagen ein neues Abkommen aushandelt.

Bei einer Aktion von Greenpeace vor dem Konferenzgebäude warnte der frühere südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu vor der Klimakatastrophe: "Wir haben nur eine Welt", rief der Friedensnobelpreisträger. "Entweder wir schwimmen zusammen, oder wir gehen gemeinsam unter."

"Ihr habt recht: Wir haben genug geredet"

Gegen Abend erreichte der Demonstrationszug das Konferenzzentrum, in dem der Weltklimagipfel seit Montag berät. Dort reichten die Klimademonstranten ihre Forderungen ein: Die dänische Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard nahm zusammen mit UN-Klimachef Yvo de Boer 18 große Segel mit darauf festgehaltenen Zielen für den Klimaschutz entgegen. "Ihr habt recht, wir haben genug geredet und müssen jetzt handeln", sagte Hedegaard am Abend.

Fast 1.000 Demonstranten wurden festgenommen, die große Mehrzahl "vorbeugend": Sie hatten sich laut Polizei in der Nähe einer kleinen Gruppe Gewaltbereiter aufgehalten. Die Polizei ging nach ersten Steinwürfen, bei denen ein Beamter leicht verletzt wurde, gegen die Demonstranten vor.

Fast alle wurden am Sonntagmorgen wieder freigelassen: Lediglich 13 der 968 Betroffenen würden noch in Arrest gehalten, teilten die Behörden mit. Lediglich gegen drei gebe es konkrete Verdachtsmomente auf Straftaten. Ein Polizeisprecher entschuldigte sich öffentlich, weil die Festgenommenen bis zu vier Stunden gefesselt und bei Frost auf Asphalt sitzen mussten, ehe sie in einen Massen-Arrest transportiert wurden. Sprecher der Demonstranten kritisierten das beispiellos harte Vorgehen der Polizei als "grundlose Kriminalisierung unschuldiger Menschen".

EU: "Wir haben bislang nicht genug erreicht"

Am Samstag kamen die Gespräche zwischen den Staatenvertretern auf der UN-Konferenz indes weiter nur schleppend voran. "Wir haben bislang nicht genug erreicht", sagte der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren am Samstag als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft. "Wenn wir mit dieser Geschwindigkeit weiter machen, gibt es hier in Kopenhagen keinen Erfolg."

Er appellierte vor allem an China und die USA, ehrgeizigere Klimaziele vorzulegen. "Ansonsten ist das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, nicht zu erreichen", warnte Carlgren am Ende der ersten Woche der Konferenz. Der Konflikt zwischen Washington und Peking gilt als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem neuen Klimaabkommen. Die beiden größten Treibhausgas-Produzenten sehen sich gegenseitig in der Pflicht, ihre bisherigen Zusagen zur CO2-Reduktion zu erhöhen.

Bis zum Ende der Woche werden rund 115 Staats- und Regierungschefs in Kopenhagen erwartet. Merkel wird nach derzeitigem Programm am Donnerstag vor dem Gipfelplenum reden. Sie erhofft sich durch die weltweite Einführung neuen Umwelttechnologien auch zusätzliches Wachstum für Deutschland. Man dürfe allerdings "nicht zulassen, dass Deutschland und die anderen europäischen Industriestaaten weit voran gehen beim Klimaschutz, andere nichts tun und dann Arbeitsplätze bei uns abwerben mit dem Argument, weniger Kosten für den Klimaschutz", sagte sie der "Bild am Sonntag".

"Angela Merkel kann in Kopenhagen das Ruder herumreißen"

Dem widersprachen unter anderem Vertreter der Evangelischen Kirche und forderten, Deutschland müsse stärker in Vorleistung gehen. Und auch der Chefvon Greenpeace International, Kumi Naidoo, ist der Ansicht, die Bundeskanzlerin tue nicht genug für den Klimaschutz. "Angela Merkel kann in Kopenhagen das Ruder herumreißen. Doch ihr Verhalten in der aktuellen Debatte ist mehr als enttäuschend", sagte Naidoo der "Berliner Zeitung" (Samstag). Da Merkel gerade eine Wahl gewonnen habe, sei derzeit nichts zu verlieren. "Deutschland ist dennoch nicht zu Zugeständnissen bereit, die von Wissenschaftlern als notwendig eingefordert werden."

Das Klimaschutzabkommen, auf das sich 192 Staaten in Kopenhagen verständigen wollen, muss laut Merkel die Erderwärmung wirksam begrenzen. "Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir eine solche Einigung schaffen können", sagte die Kanzlerin. "Darüber habe ich in der vergangenen Woche auch mit den Ministerpräsidenten von China und Indien telefoniert, die wir für eine solche Einigung brauchen."

Merkel machte deutlich, dass es in Kopenhagen nur eine Verständigung auf die "zentralen politischen Ziele" geben werde: "Ein völkerrechtliches Abkommen muss dann im nächsten Jahr mit den juristischen Details folgen."

Ebenfalls am Samstag waren in mehr als 130 Ländern mehr 3.000 Veranstaltungen für ein weitgehendes Klimaabkommen geplant. Wie in vielen anderen Städten demonstrierten etwa in Athen mehrere hundert Menschen trotz strömenden Regens. "Mahnung an alle: Das Klima brennt", hieß hier das Motto der Proteste.

dpa/epd