ZDF: Chefredakteur Brender muss gehen

ZDF: Chefredakteur Brender muss gehen
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender muss gehen. Im Verwaltungsrat des Senders gab es für ihn am Freitag in Berlin keine Mehrheit.
26.11.2009
Von Henrik Schmitz

Wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nach der Sitzung mitteilte, stimmten sieben der 14 Mitglieder des ZDF-Verwaltungsrates für Brender, für eine Verlängerung wären jedoch neun Stimmen erforderlich gewesen. Brenders Amtszeit läuft damit Ende März 2010 aus. Es habe keine stichhaltigen Argumente gegen den Chefredakteur und auch keine sachliche Begründung gegeben, kritisierte Beck, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats ist.

Brender ist seit dem Jahr 2000 Chefredakteur des ZDF. Intendant Markus Schächter wollte ihn für weitere fünf Jahre verpflichten, darüber hätte er Einvernehmen mit dem Verwaltungsrat herstellen müssen. Die unionsnahen Kräfte um den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der auch stellvertretender Vorsitzender im Verwaltungsrat ist, hatten sich jedoch schon vorab gegen Brender ausgesprochen und dies mit dem Rückgang der Quoten der ZDF- Informationssendungen während Brenders Amtszeit begründet.

Koch verteidigt Entscheidung

Koch verteidigte die Entscheidung. Die Abstimmung über eine solche Personalie sei ein normaler Vorgang. Er fühle sich in vollem Maße als Volksvertreter dazu legitimiert, die Verantwortung im Verwaltungsrat auszuüben. "Der gesamte Verwaltungsrat hat ein uneingeschränktes Vertrauen zum Intendanten." Es seien nicht Brenders journalistische Fähigkeiten beurteilt worden, sondern seine Managementqualitäten.

Schächter kündigte eine rasche Lösung an. "Mit dem Verwaltungsrat bin ich übereingekommen, noch vor dem Jahreswechsel in einer Sondersitzung einen Chefredakteur zu berufen", sagte der Intendant. Er betonte, Brender habe in den vergangenen zehn Jahren einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des ZDF geleistet. Er lobte Unabhängigkeit und Kompetenz Brenders sowie dessen solide Haushaltsführung, die deutliche Einsparungen ermöglicht habe.

Bei der Bewertung von Brenders Arbeit zeigte sich in den vergangenen Wochen eine scharfe Trennlinie zwischen Union und SPD. Allerdings ist Brender keinem der beiden Parteilager zuzurechnen, gehört keinem der sogenannten Freundeskreis an. Er gilt vielmehr als unabhängige Instanz, die sich immer gegen Einflussnahme von außen, vor allem von der Politik, auf die ZDF-Informationssendungen gewehrt hat.

Proteste

Das politische Tauziehen um die Vertragsverlängerung von Brender hatte bereits in den vergangenen Wochen für Proteste auf breiter Front geführt. Journalistenverbände, Staatsrechtler und hochrangige Medienschaffende hatten sich neben SPD-Politikern für einen Verbleib Brenders im Amt ausgesprochen und gegen die Einmischung der Politik in die Personalien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di im ZDF kritisierte, die Entscheidung sei eine "staatsrechtlich unzulässige parteipolitische Einflussnahme auf die Personalauswahl des Intendanten". Koch habe «auf die von ihm bekannte brutalstmögliche Weise die Macht eines Parteipolitikers demonstriert und sich in die journalistischen Entscheidungen eines Rundfunksenders eingemischt».

Der DGB und Ver.di kritisierten: "Mit dieser Entscheidung opfert die CDU die Rundfunkfreiheit auf dem Altar der Parteipolitik." Die beiden Gewerkschaften forderten eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Die Grünen hatten bereits angekündigt, diesen Weg gehen zu wollen. Das Grundgesetz gebiete die Staatsfreiheit des Rundfunks, betonten die Bundestagsfraktionsvorsitzenden Renate Künast und Jürgen Trittin am Donnerstag. "Die Ministerpräsidenten verstoßen in unerträglicher Weise dagegen (...) Daher streben wir ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht an." Ein entsprechender Antrag solle erarbeitet und den Bundestagsabgeordneten zugeleitet werden, von denen ein Drittel zur Umsetzung notwendig ist.

Der ehemalige Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz, sagte evangelisch.de allerdings, die Brender Entscheidung sei kein Fall für das Verfassungsgericht, da sie durch einen nach dem geltenden ZDF-Staatsvertrag korrekt zusammengesetzten Verwaltungsrat zustande gekommen sei. Allerdings habe nun der ZDF-Fernsehrat, der für Programmfragen des ZDF zuständig ist, die Möglichkeit, den Verwaltungsrat "in die Schranken zu weisen".

Breite Solidarität

Brender hatte zuletzt Solidaritätsadressen von allen Seiten bekommen, seit bekannt geworden war, dass ihn vor allem die CDU-nahen Vertreter im Verwaltungsrat als Chefredakteur verhindern wollten. Vermutet wurde, Brender sei der Politik vor allem aufgrund seiner Unabhängigkeit übel aufgestoßen. Die Personalie Brender hatte daher eine Diskussion über den Einfluss des Staates auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgelöst.

Laut Verfassung soll der Rundfunk staatsfern sein. Im ZDF-Fernsehrat, der das Programm überwachen soll und den Intendanten wählt, werden allerdings 72 von 77 Mitgliedern von der Politik bestimmt. Zwar können Verbände wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger oder der Deutsche Olympische Sportbund ihre Vertreter selbst vorschlagen. Berufen werden sie aber durch die Ministerpräsidenten, die die Vertreter auch wieder abberufen können. Nur die Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche sowie des Zentralrats der Juden sind wirklich unabhängig.

Im Verwaltungsrat, der zum Teil vom Fernsehrat gewählt wird, sitzen mit Roland Koch, Edmund Stoiber und Peter Müller drei amtierende oder ehemalige Unions-Ministerpräsidenten in dem Gremium. Hinzu kommen als aktive Politiker Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sowie die SPD-Länderchefs Kurt Beck und Matthias Platzeck.

Offener Brief

In einem Offenen Brief an den Verwaltungsrat hatten 35 Staatsrechtler am Sonntag darauf verwiesen, dass das Grundgesetz die Rundfunkfreiheit garantiere. "Sollte sich herausstellen, dass letztlich ein Ministerpräsident als Meinungsführer stark genug ist, um einen Chefredakteur zu verhindern, so würde dies einen praktischen Beleg dafür liefern, dass die zum Teil geäußerten Bedenken gegenüber der Zusammensetzung des Gremiums [ZDF-Verwaltungsrat, d.Red.] nicht unbegründet sind. Der Eindruck läge nahe, dass über die Instrumente von staatlicher Einflussnahme und Parteizugehörigkeit politische Mehrheiten in den Aufsichtsgremien organisiert werden. Genau dies will der Grundsatz der Staatsfreiheit verhindern", schrieben unter anderem Hans Herbert von Arnim und Dieter Dörr.

Internet: Das ARD-Medienmagazin "Zapp" über die breite Unterstützung für Nikolaus Brender:  http://www.youtube.com/watch?v=hfk2YdjeauA

mit Material von dpa


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de für die Ressorts Kultur und Medien.