Margot Käßmann an der Spitze der deutschen Protestanten

Margot Käßmann an der Spitze der deutschen Protestanten
Erstmals steht eine Frau an der Spitze der deutschen Protestanten: Landesbischöfin Margot Käßmann (51) aus Hannover wurde am Mittwoch in Ulm zur Vorsitzenden des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt. Am Abend wurde das Leitungsgremium in einem Gottesdienst ins Amt eingeführt. Ein Platz im Rat bleibt allerdings unbesetzt.
28.10.2009
Von Bernd Buchner

Käßmann erhielt bei der Wahl in der Synode 132 von 142 abgegebenen Stimmen. Zu den ersten Gratulanten zählte der bisherige Ratschef Bischof Wolfgang Huber (67), der in den Ruhestand geht. Im Kirchenparlament gab es langen und herzlichen Applaus für Käßmann, die für den Vertrauensbeweis dankte. Zu ihrem Stellvertreter wurde der rheinische Präses Nikolaus Schneider (62) bestimmt. Am Dienstag hatte es bei der Wahl zum 15-köpfigen EKD-Rat eine Hängepartie gegeben. Ein Platz in dem kirchenleitenden Gremium bleibt vorläufig unbesetzt.

Staffelstab in Gottesdienst übergeben

Am Abend wurde der EKD-Rat in einem Gottesdienst im Ulmer Münster eingeführt. Zugleich wurden die scheidenden Ratsmitglieder verabschiedet. Der bisherige Ratsvorsitzende Bischof Wolfgang Huber sagte an seine Nachfolgerin Margot Käßmann gewandt, auf ihr ruhten die Erwartungen vieler Menschen: "Die Gesellschaft hofft auf klärende, wegweisende Worte, die Kirchenmitglieder hoffen auf gute, ermutigende Führung, und man selbst hofft auf Unterstützung und Ratschläge."

In seiner Predigt sagte Bischof Huber laut Manuskript, Leitung von Kirche sei Handeln auf Unsicherheit. Auch eine Wahlperiode von sechs Jahren ändere nichts an der Einsicht, "dass unser Reden und Handeln Fragment bleibt". Die Einführung der neuen Führungsspitze der EKD verglich Huber mit dem Stabwechsel im Sport: "Wir erbitten Gottes Segen für die, die nun den Stab übernehmen."

Mutter von vier Töchtern

Margot Käßmann wurde am 3. Juni 1958 in Marburg an der Lahn geboren. Nach dem Theologiestudium folgte 1985 die Ordination zur Pfarrerin. Vier Jahre später wurde sie von Konrad Raiser in Bochum mit einer Arbeit über "Armut und Reichtum als Anfrage an die Einheit der Kirche“ promoviert. 1994 bis 1999 war Käßmann Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, ehe sie zur Bischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers gewählt wurde. Die Mutter von vier Töchtern ist seit einigen Jahren geschieden.

Die neugewählte EKD-Ratschefin zeigte sich "sehr berührt" durch das Votum. Sie fühle sich davon berufen und getragen. Sie habe vor der Aufgabe, die sie in den kommenden sechs Jahren vor sich habe, "größten Respekt", so die Bischöfin. Sie werde das Amt "mit meinen Gaben ausfüllen, so gut ich es vermag". Nach den Worten von Käßmann kann die "Sehnsucht der Menschen nach Glauben und Sinn" bei der Kirche eine Antwort finden. Die EKD solle sich nicht durch enge Finanzen und steigende Austrittszahlen entmutigen lassen. Die Bischöfin zitierte ein Pauluswort: "Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet".

Schneider mit mehr Stimmen als Käßmann

Bei der Abstimmung über Käßmann gab es vier Enthaltungen und fünf Nein-Stimmen. Ein Stimmzettel war ungültig. Die Zustimmung lag bei knapp 93 Prozent. Schneider wurde mit 137 Stimmen zum stellvertretenden Ratsvorsitzenden bestimmt. Vier Delegierte enthielten sich, einer stimmte mit Nein. Der rheinische Präses dankte ebenfalls für das Vertrauen und drückte seine Hoffnung auf eine gute Zusammenarbeit mit Käßmann, dem Rat und den weiteren EKD-Gremien aus.

Schneider wurde am 3. September 1947 in Duisburg geboren. Der Theologe steht steht seit 2003 an der Spitze der rheinischen Kirche, der nach Mitgliedern zweitgrößten evangelischen Landeskirche. Der in sozialethischen Fragen profilierte Kirchenmann, der schon dem bisherigen Rat angehört hatte, ist Vorsitzender des Aufsichtsrates des Evangelischen Entwicklungsdienstes und Vorsitzender des Diakonischen Rates. Als einen seiner Schwerpunkte für die sechsjährige Amtszeit des neuen Rates nannte Schneider die Zusammenführung von Entwicklungsdienst und Diakonie.

Letzter Ratsplatz bleibt vorerst unbesetzt

Vor der Wahl Käßmanns hatte die Synode bei einer Enthaltung entschieden, dass der fehlende Platz im Rat erst bei der nächsten Tagung des Kirchenparlaments in einem Jahr besetzt werden soll. Daraufhin konstituierte sich der Rat und schlug Käßmann und Schneider vor. Am Dienstag hatten auch zwölf Wahlgänge nicht ausgereicht, um zu einer Entscheidung zu kommen. Daraufhin war die Wahl nach 16 Stunden zunächst abgebrochen worden. Jeder Ratskandidat braucht eine Zweidrittelmehrheit, um in das Gremium gewählt zu werden.

[reference:nid=5599]

Neben Käßmann und Schneider gehören dem künftigen EKD-Rat die Magdeburger Mathematikerin Elke Eisenschmidt (28), der badische Landesbischof Ulrich Fischer (60), sein bayerischer Amtsbruder Johannes Friedrich (61), der Vorsitzende des EKD-Finanzbeirats, Klaus Winterhoff (58), der reformierte Kirchenpräsident Jann Schmidt (61), der Hamburger Journalist Uwe Michelsen (61), die Deutsche-Bank-Direktorin Marlehn Thieme (52), die Berliner Architektin Gesine Weinmiller (46), der Dresdner Landesbischof Jochen Bohl (59), die Erzieherin Tabea Dölker (61) aus Holzgerlingen und der Generelsekretär der Vereinigten Evangelischen Mission, Fidon Mwombeki (49) sowie qua Amt Synodenpräsidentin Katrin Göring-Eckardt (43) an.

mit Material von epd