Koalition: Lob von der Wirtschaft, Kritik von links

Koalition: Lob von der Wirtschaft, Kritik von links
Die Bewältigung der Wirtschaftskrise steht im Mittelpunkt des Koalitionsvertrages von Union und FDP. Der 124 Seiten starke Koalitionsvertrag trägt den Titel "Wachstum. Bildung. Zusammenhalt." Am Samstagnachmittag billigten die Fraktionen von Union und FDP den Koalitionsvertrag. Die Opposition und Gewerkschaften kritisierte die Vereinbarungen der Koalition als unsozial, Umweltverbände fürchten um die Vorreiterrolle Deutschlands beim Klimaschutz.

"Wir wollen mutig in die Zukunft gehen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag in Berlin nach Abschluss der dreiwöchigen Koalitionsverhandlungen. Die neue Regierung halte Wort: "Wir erhöhen keine Steuern und Abgaben, sondern setzen auf Wachstum und entlasten die Bürger." Es gehe darum, die Krise zu bewältigen und gestärkt aus ihr hervorzugehen, sagte Merkel. Daher werde die Regierung einen Schutzschirm für Arbeitnehmer aufspannen. Die Einnahmeausfälle bei der Bundesagentur für Arbeit und im Gesundheitssystem würden übernommen und nicht den Bürgern aufgebürdet. Die Kanzlerin kündigte zudem an, noch in diesem Jahr ein Wachstumsbeschleunigungsgesetz auf den Weg zu bringen. Diese sehe eine stärkere Förderung für Familien, eine Erbschaftssteuer- und Unternehmenssteuerreform sowie Bürokratieabbau vor.

[linkbox:nid=5300;title=Der Koalitionsvertrag im Einzelnen]

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sprach von einem "neuen Anfang mit neuem Denken, einem wirklichen Aufbruch". Mut zur Zukunft sei der zentrale Auftrag der künftigen Regierung. Schwarz-Gelb setze auf wirtschaftliche Vernunft und auf soziale Gerechtigkeit. Zudem solle Deutschland bei Bildung und Wissenschaft an die Weltspitze geführt werden. "Vorrang für Arbeit und für Bildung gehört zusammen", sagte Westerwelle. Der designierte Außenminister erklärte zudem, dass er sich für einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland einsetzen werde.

Finanzierung der Neuerungen ist noch unklar

Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer erklärte, der Koalitionsvertrag sei ein "gutes Kursbuch für die nächsten Jahre". Die Ankündigung der CSU werde eingehalten, dass die Bürger künftig "mehr Netto vom Brutto" hätten. "Eine große Steuerstrukturreform soll möglichst noch 2011 kommen", sagte Seehofer. Insgesamt sind den Angaben zufolge Steuersenkungen von 24 Milliarden Euro vorgesehen. Ab 2013 soll es ein Betreuungsgeld in Höhe von 150 Euro für diejenigen Mütter und Väter geben, die ihre Kinder zu Hause erziehen.

Geplant sind zudem ein Einstieg in die Kapitaldeckung der Pflegeversicherung sowie eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung. Unter anderem soll der Kassenbeitrag der Arbeitnehmer ab 2011 einkommensunabhängig erhoben werden, die Arbeitgeberbeiträge sollen eingefroren werden.
Bundeskanzlerin Merkel wies hier den Vorwurf unsozialer Reformen zurück. Bei steigenden Krankenkassenbeiträgen werde es einen sozialen Ausgleich geben, versicherte sie. Unklar blieb jedoch, wie die neue Koalition die geplanten Neuerungen finanzieren will. Man setze hier auf Wachstum, sagte Merkel. Das Wichtigste sei, dass Menschen wieder in Arbeit gebracht würden. "2011 schauen wir dann, was die Reformen gebracht haben."

Vorwürfe: gesellschaftliche Spaltung und soziale Eiszeit

Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier kritisierte den Koalitionsvertrag scharf. "Schwarz-Gelb wird die soziale Spaltung in unserem Land vertiefen statt bekämpfen", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende der "Bild am Sonntag". Union und FDP hätten "einen grandiosen Fehlschlag hingelegt". Der designierte SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sprach ebenfalls von einer "Spaltung der Gesellschaft" und sagte am Samstag in Hannover: "Die neue Koalition verfolgt in der Steuerpolitik eine Klientelpolitik und schädigt so das Allgemeinwohl."

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi sagte, Schwarz-Gelb sei eine Koalition der sozialen Spaltung, Tricksereien und neoliberalen Entstaatlichung. Die Gesundheitsexpertin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Elisabeth Scharfenberg, verurteilte die gesundheitspolitischen Vorhaben der neuen Regierung als "Einstieg in den Ausstieg aus der Solidarität", Grünen-Chefin Claudia Roth sprach beim Parteitag der Grünen in Rostock von sozialer Eiszeit unter Schwarz-Gelb.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf der künftigen Koalition einen "Angriff auf den Sozialstaat" vor. DGB-Chef Michael Sommer kritisierte insbesondere, dass der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung eingefroren werden soll. Erhöhungen von Ärztehonoraren sowie steigende Ausgaben für Medikamente und Kliniken müssten künftig allein von den Versicherten gezahlt werden. Sommer warf Schwarz-Gelb außerdem "versteckte Umverteilung von unten nach oben" und "Verzagtheit bei der Krisenbekämpfung und Krisenbewältigung" vor. Die Kanzlerin habe allerdings in Sachen Tarifautonomie, Mitbestimmung und Kündigungsschutz Wort gehalten.

Wirtschaft zufrieden mit den Plänen

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte die Vereinbarungen hingegen einen "guten Kompass" für die nächsten Jahre. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, sagte der Berliner "B.Z. am Sonntag", im Koalitionsvertrag von Union und FDP stünden viele gute Reformansätze. Es werde aber noch mehr Reformmut gebraucht, um Arbeitsplätze zu schaffen und der demografischen Entwicklung zu begegnen. Auch für den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, weist der Koalitionsvertrag grundsätzlich in die richtige Richtung. Auch andere Wirtschaftsverbände lobten die Vereinbarung zwischen den Regierungsparteien.

Die Umweltverbände Naturschutzbund und Greenpeace stellten vor allem die Atomstrom-Pläne der Regierung an den Pranger und beklagten, Deutschland würde unter Schwarz-Gelb seine Vorreiterrolle beim Umwelt- und Klimaschutz aufs Spiel setzen.

mit Material von epd und dpa