"Beim Geld hört Freundschaft auf": Steuerstreit geht weiter

"Beim Geld hört Freundschaft auf": Steuerstreit geht weiter
Einigkeit besteht bislang nur darin, dass es sich bei dem Thema um den Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen handelt: CDU, CSU und FDP ringen weiter darum, das angesichts leerer Kassen mögliche Maß an Steuersenkungen auszuloten.

Nachdem er übereinstimmenden Medienberichten zufolge am Wochenende die FDP-Steuersenkungspläne hinter verschlossenen Türen abgekanzelt hatte, rief der stellvertretende CDU-Vorsitzende und niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff die FDP nun öffentlich auf, von ihren Forderungen nach einer großen Steuerentlastung abzurücken. Der "Bild"-Zeitung sagte Wulff: "Beim Geld hört die Freundschaft auf. Der FDP muss klar werden: Mit eigenem Geld kann man zocken, mit dem Geld der Bürger nicht!" Man müsse "vom Wünschbaren zum Machbaren" kommen.

FDP: "Mehr Geld in die Hand nehmen - auch auf Pump"

Ähnlich äußerte sich der ehemalige CSU-Vorsitzende Erwin Huber. Er sagte am Montag im Deutschlandradio Kultur, die Union müsse jetzt realitätsferne Wunschvorstellungen der FDP auf ein vernünftiges Maß zurückführen."Wir wollen Steuersenkungen. Aber das Ganze muss natürlich auch finanziell verkraftbar sein."

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Aus der FDP kam deutliches Contra. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Andreas Pinkwart sagte ebenfalls in "Bild": "Wir brauchen schnelle Steuerentlastungen und eine Steuerstrukturreform." Das bringe mehr Wachstum, neue Arbeitsplätze und mittelfristig mehr Steuereinnahmen. "Wichtig ist, dass wir jetzt nicht an der falschen Stelle gegen die Krise ansparen. Das würde die nötige Haushaltskonsolidierung behindern. Cornela Pieper, ebenfalls FDP-Vize, bekräftigte die Forderung nach Steuersenkungen, auch wenn das weitere Kreditaufnahmen nötig mache: "Wenn man eine echte Entlastung will, müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen - auch wenn das auf Pump ist", sagte sie am Montag dem Sender MDR Info.

Union und FDP loten vor den abschließenden Koalitionsverhandlungen in dieser Woche heute nochmals den finanziellen Spielraum für Steuersenkungen aus. Die Arbeitsgruppe Steuern und Haushalt - geleitet von Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) und FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms - muss als einzige der zehn Koalitions-Arbeitsgruppen ihre Gespräche fortsetzen. Bis zum Mittwoch soll das schwarz-gelbe Steuerprogramm stehen, Details könnten aber auch erst am Ende der Koalitionsverhandlungen festgezurrt werden. Die Union hatte zuletzt Steuersenkungen von 20 Milliarden Euro bis 2013 angeboten, die FDP fordert Steuersenkungen von 35 Milliarden Euro.

"Weiterhin Klima des Vertrauens"

Trotz der offenen Fragen und der Streitereien am Wochenende hat sich CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Montag aber zuversichtlich gezeigt, dass eine Einigung diese Woche möglich sei und das zentrale Wahlversprechen Steuersenkung "entgegen der Erwartung" auch umgesetzt werde. Trotz Streitereien am Wochenende sei das Klima bei den schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen nicht beschädigt, so Pofalla im ZDF-"Morgenmagazin": Es habe "bestenfalls kräftigere Formulierungen auf beiden Seiten" gegeben. Zwischen CDU, CSU und FDP bestehe weiterhin "ein Klima des Vertrauens", das "durch den Samstag nicht verändert" worden sei. Sonst hätten die drei Parteien auch nicht bereits Parteitage zur Absegnung eines Koalitionsvertrages anberaumt. Pofalla betonte, man habe damit immer noch "die kürzesten Koalitionsverhandlungen, die es jemals gegeben hat".

CDU-Vize Christian Wulff hatte das FDP-Steuerkonzept am Samstag in der großen Runde mit 27 Teilnehmern abgekanzelt. Er verlangte eine solide Gegenfinanzierung und Sparvorschläge, um die geplanten Mehrausgaben zu kompensieren. Der Vorstoß war offensichtlich mit anderen Ministerpräsidenten der Union abgestimmt, die ebenfalls neue Risiken für ihre Haushalte befürchten. FDP-Chef Guido Westerwelle drohte daraufhin zum zweiten Mal in den bislang 14-tägigen Verhandlungen mit einem Abbruch der Gespräche: Für die FDP seien Steuerentlastungen und eine Steuerreform Bedingungen für eine Koalition. Nach dem Eklat stellte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Zustimmung aller fest, dass es Steuerentlastungen geben werde.

ifo-Chef: In Krise muss Staat auf Pump leben

Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans- Werner Sinn, sagte der "Bild"-Zeitung auf die Frage, ob es Steuersenkungen auch auf Pump geben dürfe: "Ja! In einer Krise wie dieser darf der Staat nicht nur auf Pump leben, er muss es sogar. Sonst stürzt die Wirtschaft ab. Wenn Haushalte und Firmen zu viel sparen, muss sich der Staat verschulden, um den Wirtschaftskreislauf zu stabilisieren."

Neben den für Steuern und Haushalt zuständigen Experten von CDU, CSU und FDP wollten heute auch die Verhandlungsführer der Gruppe Arbeit/Soziales/Renten, Ronald Pofalla (CDU) und Dirk Niebel (FDP), noch offene Punkte erörtern. Unter anderem ist unklar, wie Schwarz-Gelb die grundsätzlich bejahte Ost-West-Rentenangleichung bewerkstelligen will. Offen ist auch, ob es wegen des wachsenden Schuldenbergs der Bundesagentur für Arbeit höhere Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geben soll.

dpa