Tsunami trifft Südsee-Inseln - Mindestens 120 Tote

Tsunami trifft Südsee-Inseln - Mindestens 120 Tote
Ein Tsunami hat die Küstenregion der Samoa-Inseln schwer verwüstet, es dürften mindestens 120 Menschen ums Leben gekommen sein. Ein schwerer Schlag für das kleine und arme Samoa.
30.09.2009
Von Ulrich Pontes

"Wir sind es gewohnt, dass Häuser durch Hurrikans zerstört werden, aber so etwas wie dies, durch einen Tsunami, hat hier noch nie jemand erlebt", sagte Alan Ah Mu, Redakteur der Zeitung "Samoa Observer", der BBC. Seinen Angaben zufolge wurden bis zum Abend (Ortszeit) 47 Leichen geborgen - insgesamt sind nach Berichten aus der Region mindestens 120 Menschen ums Leben gekommen, Tausende wurden obdachlos.

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"Es hat vor allem Kinder und ältere gebrechliche Menschen getroffen", sagte eine Reporterin des lokalen Radiosenders "2AP" der Deutschen Presse-Agentur dpa. Sie fuhr mit einem Team aus Apia 80 Kilometer an die Südküste und sah dort Leichen, die in angeschwemmten Schlamm- und Sandbänken feststeckten. "Es ist vieles schwer beschädigt, und die meisten Touristenanlagen sind zerstört", sagte Samoas Vize-Regierungschef Misa Telefoni.

Die Region liegt 13 Stunden hinter der mitteleuropäischen Sommerzeit, die Katastrophe ereignete sich am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit). Betroffen sind sowohl Samoa - ein eigenständiger Inselstaat, der aus der früheren deutschen Kolonie West-Samoa hervorgegangen ist - als auch das 80 Kilometer östlich davon gelegene Amerikanisch-Samoa, ein US-Außenterritorium. Auch das nicht weit entfernte Tonga war betroffen. Die Inselgruppe liegt im Südwestpazifik, auf halbem Weg zwischen Neuseeland und Hawaii. US-Präsident Barack Obama erklärte Amerikanisch-Samoa zum Katastrophengebiet. Damit werden zusätzliche Finanzmittel für Rettungseinsätze frei, allerdings nur für Amerikanisch-Samoa. Nach Angaben des Auswärtigen Amts sind durch den Tsunami auch zwei Deutsche aus Berlin verletzt worden. Die Region wurde von mehr als einem Dutzend Nachbeben erschüttert.

"Fast jeder größere Familienclan betroffen"

Wie Julia Ratzmann von der ökumenischen Initiative "Pazifik-Informationsstelle" in Neuendettelsau erläutert, ist die Zahl der Opfer angesichts der kleinen Bevölkerung Samoas bedeutend - Samoa hat rund 220.000 Einwohner, Amerikanisch-Samoa etwa 65.000. "Zudem muss man bedenken, dass die Menschen dort in großen Familienverbänden leben - man kann also davon ausgehen, dass fast jeder größere Familienclan von dem Tsunami betroffen ist", sagt Ratzmann. Anders als in Deutschland sei es dort eben auch dramatisch, wenn ein weit entfernter Familienangehöriger sterbe. Dazu passt die Meldung des australischen Senders ABC, die den "bleich und erschüttert wirkenden" samoanischen Premierminister Tuilaepa Sailele zitiert. Dieser habe berichtet, dass zwei Kinder aus seinem Dorf vermisst würden und dass die Leiche einer mit ihm befreundeten Frau in einem Baum entdeckt worden sei.

Ratzmanns Kollegin Katja Göbel hat selbst einmal ein Jahr in Samoa gelebt und kann sich ausmalen, welche Folgen der Tsunami über die unmittelbaren Opfer hinaus haben wird: "Eigentlich alle Dörfer liegen an der Küste", erklärt die Expertin für die Pazifikregion.

Für viele Menschen seien durch den Tsunami gleich zwei wichtige Standbeine in Mitleidenschaft gezogen: Ihre Gärten und die Strände. Auch wenn es keinen Massentourismus gebe: "Gerade an der betroffenen Südküste liegen touristische Spots - wenn nun Strände zerstört wurden, fällt für viele eine wichtige Einnahmequelle weg." Zudem seien viele Samoaner arbeitslos und die Versorgung aus Eigenanbau habe einen hohen Stellenwert - "wenn der Garten zerstört wird, wird's eng", so Göbel. Darüber hinaus würden die Familien traditionell auch ihre Ahnen in den Gärten beerdigen, so dass vermutlich auch viele Grabstätten zerstört seien

"Die zweite Welle traf uns durch den Fußboden"

Die teils meterhohen Wellen waren von einem heftigen Erdbeben im Meeresgrund rund 200 Kilometer vor der Südküste der  Samoa-Inseln ausgelöst worden. Die US-Geologiebehörde gab für das Beben die Stärke 8,0 an; es ereignete sich am Dienstag gegen 19.48 Uhr deutscher Zeit. Eine Tsunami-Warnung wurde daraufhin herausgegeben - der Tsunami sollte laut Warnung jedoch bereits elf Minuten nach dem Beben in Amerikanisch-Samoa und 22 Minuten danach in Samoa eintreffen.

Augenzeugen und Überlebende berichteten von der großen Wucht, mit der die Flutwellen an Land kamen. Auf der Hauptinsel Upolu soll das Wasser bis zu 800 Meter ins Landesinnere gereicht haben, hieß es im neuseeländischen Rundfunk. Wendy Booth betrieb die Touristen- Anlage "Sea Breeze" an der Südküste, die nach ihren Angaben völlig zerstört wurde. "Die zweite Welle traf uns durch den Fußboden. Das Wasser rauschte zur Hintertür hinaus und riss uns mit", berichtete sie dem australischen Radiosender Fairfax Radio Network. "Wir konnten uns an einem Geländer festhalten, mein Mann und ich klammerten uns aneinander. Der Sog zurück Richtung Meer nach der Welle war gigantisch. Die Kraft des Wassers riss unsere Einrichtung durch das Dach."

Eine Australierin erlebte das Erdbeben und den Tsunami in der Hauptstadt Pago-Pago auf Amerikanisch-Samoa. Die Erde habe drei Minuten lang heftig gebebt, berichtete sie dem australischen Sender ABC. Von ihrem Balkon aus sah sie jede Menge überflutete Häuser und Geschäfte. Nach ihren Angaben war die Flutwelle vier Meter hoch. Der Strom sei ausgefallen, der Flughafen geschlossen und das örtliche Krankenhaus überflutet. Ein Bekannter sei mit einem Bus unterwegs gewesen, als der Tsunami kam. "Das Wasser drang in seinen Bus ein", berichtete Whitby. "Er blieb schließlich in einem Mangobaum hängen, aber vier seiner Passagiere wurden fortgerissen."

Einige Dörfer völlig überschwemmt

Auf ersten Fotos waren überflutete Straßen zu sehen. Autos, die von den Wassermassen mitgerissen wurden, lagen in Trümmerhaufen. An einer Stelle war ein mächtiges Boot auf dem Trockenen zu sehen. Lokalsender berichteten, dass einige Dörfer völlig überschwemmt seien. "Zwei oder drei Ortschaften wurden schwer zerstört", sagte der Leiter des Gesundheitsdienstes von Amerikanisch-Samoa, Salamo Laumoli, dem US-Sender CNN.

Die Behörden lösten innerhalb von Minuten nach dem Beben Tsunami-Alarm aus, berichtete der Lokalsender Radio Polynesia. Auf den Inseln wurden regelmäßig Tsunami-Übungen durchgeführt. Viele der Einwohner der tiefliegenden Küstenregion hätten sich deshalb rechtzeitig auf höheres Terrain retten können, sagte Reporter Pipi Autagavaia in einem Gespräch mit der BBC. In Samoa leben nach Angaben des deutschen Honorarkonsuls Arne Schreiber 25 Deutsche. Der einzige, der in dem betroffenen Gebiet wohne, sei wohlauf, sagte er.

Am 26. Dezember 2004 hatte ein Tsunami nach einem schweren Beben vor der indonesischen Insel Sumatra 230.000 Menschenleben gefordert. Die bis zu fünf Meter hohe Flutwelle breitete sich über tausende Kilometer im Indischen Ozean aus und zerstörte Küstenregionen in Indonesien, Sri Lanka, Indien, Thailand und auf den Malediven.

Mit Material von dpa