Expertin: Zweiter Weltkrieg prägt noch heute die Enkel-Generation

Expertin: Zweiter Weltkrieg prägt noch heute die Enkel-Generation
Der Zweite Weltkrieg hat nach Ansicht der Medizinerin und Buchautorin Anette Winkelmüller nicht nur die Kinder, sondern auch noch die Enkel derer geprägt, die ihn erlebt haben.

Die Generation der zwischen 1955 und 1975 geborenen "Kriegsenkel" habe zum Teil noch heute unter den nicht aufgearbeiteten Traumata ihrer Eltern zu leiden, sagte die Ärztin und Psychotherapeutin am Dienstagabend bei der Vorstellung ihres neuen Buches. "Kriegskinder haben Flucht und Vertreibung erlebt, Bombennächte, Schuld, Tod und Hunger. Sie haben über ihre Erlebnisse oft jahrzehntelang nicht gesprochen und so die Verletzungen unbewusst an ihre Kinder weitergegeben."

Winkelmüller hat gemeinsam mit Gabi Heetderks und Thorsten Heese Berichte von norddeutschen "Kriegsenkeln" zusammengestellt sowie medizinisch und historisch eingeordnet. Das Buch ist unter dem Titel "Als die Jeans noch gebügelt wurden - Spuren des Krieges in einer heilen Welt" im Lutherischen Verlagshaus in Hannover erschienen. Die Ärztin führte damit ihre Arbeit über Kriegskinder fortgeführt, die unter dem Titel "Im Krieg war ich noch klein" veröffentlicht ist.

Entwurzelt und nicht verstanden

Die Eltern der heute 40- bis 60-Jährigen hätten ihre Kriegserfahrungen auf ihre Kinder übertragen und sie mit Erwartungen und Ansprüchen überfrachtet, sagte Heetderks. Sie hätten Leistung und Fleiß bis hin zum Perfektionismus und vor allem Dankbarkeit erwartet, da sie selbst im Krieg und in der Nachkriegszeit viel hätten leisten müssen. Viele seien ohne Vater aufgewachsen und hätten dessen Rolle übernehmen müssen.

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Kriegsenkel hätten heute noch unter dem Konflikt zu leiden, sich einerseits anpassen und sich andererseits in der heutigen Gesellschaft behaupten und durchsetzen zu müssen, erläuterte Heetderks. Manch einer kommt mit dem Leistungsdruck im Beruf nicht zurecht. "Kinder von Flüchtlingen und Vertriebenen fühlen sich entwurzelt, obwohl sie selbst nie ihre Heimat verlassen mussten."

Hinzu komme, dass sie sich oftmals von den eigenen Eltern nicht verstanden fühlten, betonte Winkelmüller: "Sie bekamen immer zu hören: Ihr wisst gar nicht, wie gut es euch geht. Ihr habt doch alles." Ausführlich hätten die meisten Kriegskinder aber nicht über ihre Erlebnisse gesprochen. Vor allem über die Schuld mancher Eltern hätten sie geschwiegen: "So brechen viele derer, die heute mitten im Leben stehen, zusammen, wenn sie plötzlich erfahren, dass der eigene Großvater ein Nazi war."