EU will mehr Bootsflüchtlinge aus Seenot retten

EU will mehr Bootsflüchtlinge aus Seenot retten
Abdrängen auf hoher See künftig verboten
Viereinhalb Monate nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Insel Lampedusa hat die Europäische Union höhere Schutzstandards für Migranten an ihren Seegrenzen beschlossen. Der Innenausschuss des Europaparlaments in Brüssel nahm am Donnerstag eine entsprechende Verordnung an.

Das Gesetz gilt für gemeinsame Einsätze mehrerer Küstenwachen, die von der EU-Grenzschutzagentur Frontex koordiniert werden. Unter anderem gibt es künftig klarere Regeln, welche Behörde in einer Notsituation für welche Rettungsmaßnahme zuständig ist.

###mehr-artikel###

Im Oktober vergangenen Jahres waren bei zwei Schiffsunglücken vor Lampedusa mehr als 400 Menschen ums Leben gekommen. Frontex selbst verweist darauf, dass die Agentur nicht bei allen Grenzschutz-Einsätzen im Mittelmeer eine Rolle spiele. "Alle EU-Länder sollten die neuen Regeln auch dann befolgen, wenn Frontex nicht beteiligt ist", verlangte die Liberalen-Abgeordnete Cecilia Wikström aus Schweden. Die Verordnung sieht beispielsweise auch vor, dass kein Boot auf hoher See zur Umkehr gezwungen werden darf, ohne dass geprüft wird, ob sich unter den Migranten Asylsuchende oder andere schutzbedürftige Menschen befinden. Bei dieser Aufgabe sollen Dolmetscher und Rechtsberater per Funk helfen.

Kirchenvertreter: Gemischte Gefühle bei Verordnung

Die neue Regelung, über die es bereits eine informelle Einigung zwischen Europaparlament und EU-Regierungen gibt, soll im April im Parlamentsplenum verabschiedet werden. Flüchtlingsrechtler und Kirchenvertreter sehen die Verordnung indessen mit gemischten Gefühlen. Zwar habe das Europaparlament den Entwurf der EU-Kommission deutlich verbessert, sagte etwa Katrin Hatzinger vom Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie ist jedoch unter anderem besorgt darüber, dass Migranten keine juristische Einspruchsmöglichkeit haben, wenn die europäischen Grenzschützer beschließen, sie an die Behörden des Abfahrtlandes zu übergeben.

Die Grünen im Parlamentsausschuss verweigerten wegen des fehlenden Rechtsschutzes und anderer Bedenken die Zustimmung. Begrüßenswert sei allerdings, dass Frontex künftig medizinische Hilfe und rechtliche Beratung für Schutzsuchende einplanen müsse, sagte die Grünen-Abgeordnete Ska Keller. Der Christdemokrat Carlos Coelho, der das Dossier im Parlament betreut hatte, verwies darauf, dass Frontex und die Teilnehmerländer eines Einsatzes künftig unter größerer Beobachtung stünden: Alle Maßnahmen im Rahmen von Einsätzen müssten schriftlich festgehalten und dem Europaparlament einmal jährlich vorgelegt werden, unterstrich er.