Historiker Nolte: Nachstellung der Völkerschlacht ist legitim

Historiker Nolte: Nachstellung der Völkerschlacht ist legitim
Der Historiker Paul Nolte betrachtet die Nachstellung der Völkerschlacht bei Leipzig als eine legitime Form der Beschäftigung mit Geschichte. Sie könne eine Brücke zu einer ernsthaften Beschäftigung mit dem Thema schlagen, sagte der Berliner Geschichtsprofessor am Samstag im Deutschlandradio Kultur.

Es gebe einen anhaltenden Trend, dass Geschichte in populären Darstellungsformen in die Öffentlichkeit dränge, zum Beispiel in Form von Geschichtsmagazinen, erklärte Nolte. Bei der Nachstellung einer Schlacht gehe es allerdings mehr um das Spielerische und nicht um historische Authentizität. Dass diese "Eventisierung" von Geschichte in Deutschland zu einem großen Trend werden könnte, bezweifele er.

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Die geplante Nachstellung der Schlacht mit 6.000 Darstellern biete vielen Menschen einen Zugang zur Geschichte, die diesen sonst nicht finden würden, sagte Nolte. Nicht jedem liege es, "ein 1000-seitiges Buch durchzulesen und sich mit wissenschaftlichen Formen der Geschichte näher zu beschäftigen". Auffallend beliebt sei diese spielerische Form der Annäherung in den USA mit Hang zur Nostalgisierung von Geschichte: "Vor allen Dingen werden Gewalt und Tod gewissermaßen ausgeblendet und neutralisiert."

Ein prominenter Gegner des Spektakels ist Thomaskirchen-Pfarrer Christian Wolff. Im Gedenken an "dieses unsägliche Gemetzel" verbiete sich "jede Folklorisierung der kriegerischen Handlungen auf Schlachtfeldern", hatte er gemahnt.

Bei dem ökumenischen Gottesdienst am Samstag in Rötha bei Leipzig, mit dem an die Opfer der Völkerschlacht erinnert wurde, waren auch Vertreter von 15 europäischen Fürstenhäusern vertreten. Der evangelische Landesbischof Jochen Bohl erinnerte in der Predigt an das große Leid der Schlacht, bei der 100.000 Soldaten starben, und mahnte zu Frieden und Versöhnung. Die europäischen Völker hätten sich damals "tiefe, lang schwärenden Wunden" zugefügt, sagte Bohl in der Georgenkirche. Dies habe bis heute Bedeutung für die Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft der Länder Europas. "Dem Frieden dient die Erinnerung an die Schrecken des Krieges", unterstrich der Bischof.

"Gemeinsam am Haus Europa bauen"

Die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 war mit 100.000 Gefallenen das bis heute verlustreichste Gefecht der Menschheitsgeschichte. Damals kämpften die Truppen Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens gegen die Truppen des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte. Die Schlacht beendete die Befreiungskriege gegen die napoleonischen Truppen. Bereits am Freitag gedachte Leipzig der Schlacht vor 200 Jahren mit einem Festakt, bei dem auch das renovierte Völkerschlachtdenkmal von 1913 wiedereröffnet wurde. Dazu waren zahlreiche internationale Gäste gekommen.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, warnte bei dem Festakt vor wachsenden Ressentiments in der Gesellschaft. "Mit großer Sorge beobachte ich, wie sich in Europa wieder eine Re-Nationalisierung ausbreitet", sagte Schulz. Die Krise drohe die Europäer auseinanderzutreiben. Längst überwunden geglaubte Vorurteile über andere Völker oder gar Feindbilder seien wieder auf dem Vormarsch, was sich etwa an der Hetze gegen die Roma zeige. "Wir alle müssen einschreiten gegen die Rückkehr von Denkweisen, die immer nur Unglück über die Völker Europas gebracht haben", sagte Schulz weiter.

Für den sächsischen Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) sollte das Völkerschlachtdenkmal daran erinnern, nicht mehr gegeneinander Krieg zu führen, sondern "gemeinsam am Haus Europa zu bauen." Er hoffe, dass die heutige Deutung des Völkerschlachtdenkmals auch für die nachfolgenden Generationen maßgeblich ist. Es gehe darum, "Frieden und Freiheit zu bewahren und nicht zu vergessen, welche Opfer es kostet, diese zu erlangen und welches Leid es bringt, diese wieder zu verlieren".