EKD-Familienpapier: Lebensnah oder bibelfern?

EKD-Familienpapier: Lebensnah oder bibelfern?
Weiter kontroverse Debatte über die Orientierungshilfe Familie
Die meisten evangelischen Spitzenvertreter verteidigen das Familienpapier der EKD gegen Vorwürfe. Doch Kritiker nehmen jede Seite der Orientierungshilfe unermüdlich unter die Lupe - und nehmen weiter Anstoß.

Die heftig geführte Diskussion über das Familienpapier der evangelischen Kirche reißt nicht ab. Der Bonner Theologieprofessor Ulrich Eibach macht in dem Text theologische Schwächen aus. Dagegen erhält die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) Unterstützung aus Bayern: Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm würdigte am Mittwoch die "Lebensnähe" des Positionspapiers. Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge wies zudem Vorwürfe zurück, die Orientierungshilfe belaste die ökumenischen Beziehungen zwischen Protestanten und Katholiken.

###mehr-artikel### In der im Juni vorgestellten 160-seitigen Orientierungshilfe mit dem Titel "Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken" fordert der Rat der EKD, alle Familienformen zu stärken und schließt dabei auch Patchworkfamilien und homosexuelle Partnerschaften ein. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider hatte jüngst betont, die Ehe bleibe das Leitmodell. Es gebe keinen Kurswechsel. Konservative Protestanten und hochrangige Katholiken kritisieren den Text, weil er in ihren Augen die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau entwertet.

Eibach: Familienpapier verdient Titel "Orientierungshilfe" nicht

Eibach, Professor für Systematische Theologie und Ethik in Bonn, kritisierte, das EKD-Familienpapier verdiene die Bezeichnung einer an der biblischen und reformatorischen Lehre ausgerichteten "Orientierungshilfe" nicht. Das Menschenbild des Papiers orientiere sich vielmehr an philosophischen, soziologischen und umstrittenen feministischen Theorien, heißt es in einer dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegenden Stellungnahme. Er warf den Volkskirchen vor, lediglich das zu legitimieren, "was ohnehin schon allen bekannt ist und gelebt wird".

Die Spitze der evangelischen Landeskirche in Bayern erklärte, der EKD-Text nehme "die Realität der sehr unterschiedlichen Familiensituationen genau" wahr. Auch in anderen Formen von Partnerschaft als der Ehe könne die biblische Grundorientierung von Liebe und Treue überzeugend gelebt werden, hieß es nach einer Sitzung des Landeskirchenrates, der sich unter anderem aus dem Landesbischof und Regionalbischöfen im Freistaat zusammensetzt.

Bei mehreren Mitgliedern des Landeskirchenrats sei allerdings die biblisch-theologische Darstellung auf Kritik gestoßen. So sei bei Luther die Ehe sowohl "ein weltlich Ding" als auch ein Stand, der durch Gottes Gebot geschützt werde. Dies werde in dem Papier nicht ausreichend deutlich. Die Verbindlichkeit, die Treue und das Versprechen lebenslanger Gemeinschaft hätten in der Ehe ihre historische Ausprägung gefunden, erklärte der Landeskirchenrat. Sie diene auch künftig als Leitbild.

Dröge: Keine Belastung für die Ökumene

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge sieht durch das EKD-Familienpapier keine Belastung der Ökumene. "Im Gegenteil: Sie könnte gestärkt werden, wenn die katholische Kirche den Ball als Herausforderung aufnimmt und nun selbst konstruktiv darlegt, wie sie neue Lebensformen angemessen ethisch würdigen will", schreibt Dröge in einem Gastbeitrag für die in Berlin erscheinende Wochenzeitung "Die Kirche" (Ausgabe 14. Juli).

Gleichzeitig vermisse er jedoch "theologische Klarheit" in Bezug auf verlässliche Gemeinschaft, ergänzt der Bischof. Als Beispiel nennt Dröge die lebenslange Treue, die sich ein Paar bei der Heirat verspricht. Im Familienpapier fehlten hilfreiche Aussagen darüber, "warum und wie man dieses Ja-Wort trotz aller Bedenken dennoch geben kann", bemängelt der Bischof. "Der glaubende Zuspruch droht hinter den Bedenken zu verschwinden."